Montag, 26. März 2007
6 Jahre Mediengestaltung – ein Resüme (6)
Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 | Teil 5
Wenn man nach einer langen Ausbildungszeit einmal zur Ruhe gekommen ist, kann es passieren, dass man sich fragt: Und, was mache ich jetzt mit meinem Schein? Oder einmal anders gefragt: Was bin ich jetzt eigentlich?
Jetzt bin ich also Mediengestalter für Digital- und Printmedien – bin ich jetzt auch was?
Per se: Nein. Ich habe Menschen ohne jegliches Gestaltungsgefühl die Ausbildung mit Bravour bestehen sehen. Ich habe Menschen mit fantastischem Gestaltungsgefühl gesehen, die nur mit schlechtestem Notendurchschnitt und absolutem Ach und Krach den Abschluss schafften. Vor allem habe ich aber viele Menschen gesehen, die erst einmal ratlos vor ihrem Leben standen. Denn die Ausbildung ist ein Zuckerschlecken an einem sanften Frühlingsmorgen, gemessen an der Marktpositionierung und am Marktwert eines Mediengestalters. Und der Grund dafür liegt im Beruf selber begraben:
Ein Mediengestalter ist nichts anderes als eine eierlegende Wollmilchsau. Ein Mensch, der viel weiß, aber von nichts wirklich eine Ahnung hat. Wenn man mal ehrlich ist. Was vor allem daran liegt, dass sein Einsatzgebiet direkt aus 4 ehemaligen Ausbildungsberufen zusammengewürfelt wurde: dem Schriftsetzer, dem Reprograf, dem Reprohersteller und dem Werbe- und Medienvorlagenhersteller. Und dann, man lasse es einfach einmal auf der Zungenspitze tänzeln, bearbeitet so ein Gestalterlein vom Namen her auch 2 vollkommen unterschiedliche Wissensfelder: Digitale Medien und Printmedien. Nur die Gewichtung der beiden Felder variiert – je nachdem, ob der Berufsbezeichnung noch ein „print“ oder ein „nonprint“ nachgeschoben wird. Und obwohl schlussendlich nur die Gewichtung variiert, sollte so ein Mediengestalterlein auch über genug wasserdichtes Fachwissen verfügen, beide Arten von Medien kompetent gestalten zu können. Dies ist aber in der Regel nicht der Fall, denn dafür sind beide Hauptbereiche zu komplex für 3 kurze Ausbildungsjahre – alleine aus diesem Grunde kann die Ausbildung zum Mediengestalter nie in eine befriedigende Tiefe gehen.
Ich vergaß fast, dass für eine Vertiefung im Ansatz Folgendes sorgen sollte: Die Unterteilung dieses Ausbildungsberufes in 4 Fachrichtungen (Mediendesign, Medienberatung, Medienoperating und Medientechnik) – doch diese Unterteilung versteht da draußen, in der Wirtschaft, da, wo diese Menschen eventuell gebraucht werden, niemand. Daher lasse ich sie hier der Kürze halber auch unter den Tisch fallen. Im Grunde machen wir alle das Selbe; im Arbeitsleben greifen die Aufgabenbereiche nahtlos ineinander und werden oft von ein und derselben Person bearbeitet: Beratung, Konzeption, Kreativarbeit, Datenaufbereitung und -management, technische Umsetzung, oft auch Projektmanagement, Kostenmanagement, Optimierung des Workflows oder ähnlichen innerbetrieblichen Prozessen. Ich jedenfalls habe noch nie gehört, dass ein Betrieb einen Mediengestalter je Fachrichtung beschäftigt, um alle Aufgabengebiete abgedeckt zu wissen.
Nun, jetzt haben wir den Mediengestalter, unsere halbwissende, eierlegende Wollmilchsau, an der einen, und den Markt an der anderen Hand. Bis der Beruf Mediengestalter aus der Taufe gehoben wurde, gab es eine noch recht ausgeglichene Anzahl an Menschen, die Medienberufe klassisch lernten oder studierten – und vom Markt gebraucht wurden. Das hätte auch durchaus mit der Zusammenlegung der Berufe funktioniert, hätten da nicht einige Institutionen zu engagiert mit dem Berufsbild Mediengestalter das Heil aller, die im Kunstunterricht einmal eine Eins hatten, verkündet. Die zahlreichen Berufsberater dieses Landes waren allzu versessen auf den Hype, den das Internetz und die neuen Medien heraufbeschworen und schickten unzählige junge Menschen in einen Ausbildungsberuf, den sie selber nicht verstanden hatten.
Und so war mit dem ersten Rutsch fertig ausgebildeter Mediengestalter der Marktbedarf hier im Köln/Bonner Raum gedeckt. Satt, geradezu fett war der Markt, und man hörte immer wieder, dass XY sich selbstständig gemacht hätte, weil er keine Arbeit gefunden hat, die auch nur ansatzweise angemessen bezahlt wird. Die Preisschraube für Mediengestalter ging immer weiter runter, und ich könnte Geschichten erzählen von Menschen, die einen fantastischen Job machen und maßgeblich zum Erfolg ihres Arbeitgebers beitragen – und trotzdem neidisch auf das Gehalt von Fachkräften für Abfallwirtschaft schielen müssen.
So saß auch ich mit einem illustren Grüppchen Klassenkameradinnen beim Arbeitsamt und starrte Löcher in meine Zukunftssuppe. Denn der Arbeitsmarkt brauchte uns nicht, keiner schrie „Hier, wir wollen dich!“, weil du einen ach so trendigen Beruf erlernt hast. Einen trendigen Beruf, der im Grunde nur eine große Wasserblase ist.
Und wenn einen diese Erkenntnis überrennt, dann muss man sich wieder aufraffen und diese Zukunftssuppe kräftig nachsalzen.
Done.
Dass es diesen Weg in vielen Berufen (und in dem des "Mediengestalters" erst recht) gar nicht mehr gibt, kriegen wahrscheinlich nur die aufmerksameren unter den Schulabgängern mit - Du hast es Deiner Schilderung nach the hard way gelernt. Me too. Viele andere auch.
Und ich fürchte, das wird den meisten so gehen - ich weiss nicht, ob Schulen nicht immer noch diesen klassischen Weg vermitteln. Ich habe jedenfalls auf der Schule gelernt, dass ich mit dem Abi zur "Elite der Nation" gehöre und mir alle Wege offenständen. Na, das war ein tiefer Fall bis auf den Boden der Realität...
Ich hoffe Schulen vermitteln das heute anders. Aber dann müsste auch eine Berufsschule etwas anderes vermitteln als den Konkurenzkampf zweier Lehrer via Farbmanagement oder die korrekte Vermittlung des font-Tags.
Und: Dann dürfte es den Pseudo-Beruf Mediengestalter in der Form gar nicht so geben.
Wir müssten uns nochmal zusammensetzen, wir 2 Hübschen, ich hab da so eine schwammige Idee …
> Done.
Jarwoll und Glückwunsch! :)
Lyza:
Hach, was machst du mir das Herz warm … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Nur, dass ich den ersten Satz gerne zurückgeben und den zweiten erwidern möchte. Drück dich, Frau!
Christian:
Richtig. Diese Hoffnung wurde mir allerdings nur seitens der Berufsberater gemacht. In der Berufsschule schwang aber zwischen den Zeilen immer "zieht euch warm an" mit. Nur, dass sie uns Mäntel mit Löchern in falscher Größe ausgegeben haben.
Hach. Nicht nur das Schulsystem ächzt und knarzt an allen Ecken, das Duale Ausbildungssystem ist bei einigen Berufen ebenfalls nicht zielführend.
Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 | Teil 5 | Teil 6Kommen wir nun zu Teil 7 und somit zum letzten dieser Serie: ich war also fertig mit der Ausbildung, hatte den Schein in der Tasche, Zukunftsangst im Bauch und reichlich Bewerbungen verteilt. Und auch bal
Aufgenommen: Dienstag, 27. März 2007