Dienstag, 27. März 2007
6 Jahre Mediengestaltung – ein Resüme (7)
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Kommen wir nun zu Teil 7 und somit zum letzten dieser Serie: Ich war also fertig mit der Ausbildung, hatte den Schein in der Tasche, Zukunftsangst im Bauch und reichlich Bewerbungen verteilt. Und auch bald schon reichlich Absagen in der Hand.
Ich hörte oft so schöne Sätze wie: Bei der aktuellen Wirtschaftslage können wir keinen weiteren Mediengestalter mehr einstellen. Aber ein Praktikum, das könnte ich ihnen anbieten!
Jung, erfolgreich ausgebildet, arbeitslos
Das ist die Krux, die ich generell nicht verstehe: Ãœberall wird nach Ausbildungsstellen geschrien, Ausbildungsstellen, wir brauchen mehr Ausbildungsstellen! Schafft Perspektiven!
– doch eigentlich brauchen wir Jobs. Denn was nützt uns die schönste Ausbildung, in der wir jahrelang einen vollwertigen Teilzeitmitarbeiter ersetzt haben, wenn wir anschließend wieder auf die Suche nach neuen Perspektiven gehen müssen.
Viele meiner Klassenkameraden schlossen direkt nach der Ausbildung ein Studium an, einige kommunizierten offen, dass sie das nur tun würden, um Zeit zu gewinnen, bis „die Wirtschaft sich erholt hat“. Andere gingen direkt in die nächste Ausbildung in einem vollkommen anderen Beruf über. Wenige wurden von ihren Betrieben übernommen oder fanden einen Job als Mediengestalter. Der eine oder andere ließ sich zu einem Praktikum breitschlagen und arbeitete fleißig unentgeltlich. Und wieder einige Andere machten das, wozu sich so viele gezwungen sehen, die in ihrem erlernten Beruf arbeiten und Geld verdienen möchten: Sie wagten den Sprung in die Selbstständigkeit. So auch ich.
Einzelkämpfer
Nach knapp über 2 Monaten Arbeitslosigkeit wollte ich nicht mehr warten, dass jemand „Hier!“ ruft, ergriff die Chance, die ersten 3 Monate einen festen Auftraggeber zu haben, beantragte Existenzgründerzuschuss und machte mich selbstständig. Die Entscheidung fiel, und keine Woche später hatte ich meinen Gewerbeschein in der Hand und die ersten Kunden. Ich muss dazu sagen, dass ich die Selbstständigkeit mehr als gescheut habe; wenn es eines gab, was ich niemals wollte, dann ist es wohl die Selbstständigkeit. Ich wollte einen Arbeitsplatz, der mir mein Leben finanziert, kein Leben, das von meinem Arbeitsplatz geprägt ist. Der Schritt in die vollkommene Eigenverantwortlichkeit fiel mir sehr schwer und hat mich schlaflose Nächte gekostet. Auch heute noch, rund 2 1/2 Jahre später, schaffe ich es auch in meiner Freizeit kaum, den Kopf richtig freizubekommen und verfluche recht häufig den hohen Druck, der nur auf meinem kleinen, überschaubaren Schulterpaar zu liegen kommt.
Einzeln, aber nicht alleine
Als Einzelunternehmung kann ich mir den Luxus eines Büro-Mietobjektes schlichtweg nicht leisten, da müssen schon die eigenen vier Wände herhalten – Home Office, sweet Home Office! Die Vorteile liegen ganz klar auf der Hand: Miet- und Benzinkosten gespart, vollkommen freie Arbeitzeiteinteilung, und so ein warmes Fellchen auf dem Schoß ist gerade bei Zeitdruckarbeit einfach nur Gold wert. Doch die Nachteile sind auch nicht zu vernachlässigen: Die Arbeit ist ganz eng an das Privatleben geknüpft, der Raum um einen herum wird schnell zu eng, man bewegt sich weniger und sieht die Sonne seltener. Anfangs war die Einsamkeit im Speziellen kaum zu ertragen. Es fehlte mir der persönliche Austausch, ein netter Wortwechsel zwischendurch, unbelastete Ideen – die Zusammen-Arbeit mit Menschen. Ich war schon immer gerne Teamplayer und brauchte ein Weilchen, um festzustellen, dass da draußen noch viele andere sind, die alleine in ihrem Kämmerchen hocken, denen der Austausch ebenso fehlt – und daher meist ein Chatfensterchen offen haben. Und so sorgt auch in diesem Bereich das Internet mit seinen Bewohnern für Schmerzminderung und fängt den einsamen Einzelkämpfer in einem kleinen, feinen Netzwerk auf.
Und der Job selber? Wie isses denn so, das Arbeiten als Mediengestalter?
Ich vermute, dass alles, was ich bisher schrieb, darauf schließen lässt, dass ich jetzt auch noch gegen den Job selber wettern werde. Aber nein: Ich habe meinen Beruf mit viel Herzblut und massig Eigeninitiative erlernt, und genau so übe ich ihn jetzt auch aus. Oder besser: das, was ich aus ihm gemacht habe. Ich weiß nicht, ob ich das genau so sehen würde, wenn ich mich nicht selbstständig gemacht hätte und meine fachliche Ausrichtung, mein Angebot so ganz nach meinen Vorlieben gestalten könnte.
Fest steht: Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe, was ich tue. Und das ist nicht unbedingt das, was das Berufsbild des Mediengestalters prägt.
Jungen Menschen, die mit dem Gedanken spielen, ebenfalls diesen Beruf zu erlernen, kann ich nur eines raten: Überlegt es euch gut und vor allem gründlich. Schaut lieber genau hin, ob dieses Berufsbild auch wirklich das bietet, was ihr für eure Zukunft wollt. Verlasst euch nicht blind auf die Zusicherung möglicher Ausbildungsbetriebe, euch kompetent fachlich anleiten zu können. Verlasst euch nicht auf das durch Lehrer vermittelte „Wissen“. Verlasst euch nicht auf die Aussage der Berufsberater, Mediengestalter wäre ein Beruf mit Zukunft – denn die Zukunft eines Mediengestalters ist oft der Kampf um eine Anstellung mit anschließendem Kampf um eine angemessene innerbetriebliche Positionierung mit entsprechender Entlohnung.
Ihr bekommt mit Abschluss der Ausbildung nur einen Schein, der besagt, dass ihr Mediengestalter seid. Welchen Beruf genau ihr dann ausübt, was ihr daraus macht, welchen Stellenwert dieser Schein für euch persönlich hat – das wird sich meist erst später zeigen.
Schon interessant, wie unterschiedlich die Meinungen sind...
LG
Sascha
: ein netter Wortwechsel zwischendurch,
: unbelastete Ideen – die
: Zusammen-Arbeit mit Menschen. [...]
: dass da draußen noch viele andere sind,
: die alleine in ihrem Kämmerchen
: hocken, denen der Austausch ebenso
: fehlt – und daher meist ein
: Chatfensterchen offen haben
Wichtig, wichtig. Nur die wenigsten, die ich kenne, können wirklich alleine vor sich hinwerkeln. Man braucht ja auch einmal wen anders. Jemanden, der auch mal einen Blick wirft, der mal ein "Aaaargh!" hören und grinsen kann, der weit genug weg ist, um nicht mit betroffen zu sein, der aber thematisch nah genug dran ist, um zu verstehen, was passiert.
Ich denke, dass das die unterschätztesten "Soft-Skills" sind, die man fürs selbstständig-sein so braucht.
Fachwissen: Klar. Hat man ja drei Jahre lang gelernt Hahaha...
Akquise, Buchführung - auch inzwischen bekannt.
Aber die Einsamkeit der Langstreckenläufer und wie man sie bekämpft? Wie man Menschen findet und Deppen aussortiert? Wie man sich öffnet ohne sich aufzugeben? Konkurenten vonm Partnern unterscheidet? Da redet kein Mensch von, das bringt einem niemand bei.
Mein Chatfensterchen ist und bleibt offen - Danke für Deins :)
Und Frau Pia, visualisieren Sie doch bitte eine lächelnd knicksende serotonic :)
Ich frage mal vorsichtig nach. Besteht nicht die Möglichkeit sich mit anderen "freien Kollegen" zusammen zu tun?
Auf der einen Seite musst Du genau das in irgendeiner Art und Weise tun - wie ja oben schon erwähnt - um den Alltag zu schaffen.
Andererseits kannst Du nicht einfach mal so "was zusammen machen". Wenn Du zum Beispiel anfängst, gemeinsame Rechnungen zu schreiben bist Du schneller eine Firma (GbR), als Dir lieb ist. Es bleibt also nur die Chance, lose Netzwerke zu knüpfen, die Du nach Bedarf aktivieren kannst. In denen Du mal zugeliefert bekommst und mal zulieferst. Und genau davon sprach ich - denn das ist meiner inzwischen 9-jährigen Erfahrung nach eine recht anspruchsvolle Aufgabe. Denn es gibt ja kein bestehendes Modell für "loses Netzwerk". Das muss jedes lose Netzwerk für sich wieder neu definieren, was es miteinander tun will und was nicht. Einfach zu sagen "wir spielen jetzt miteinander" reicht leider nicht mehr aus.
Eine GbR ist minestens nach BGB geregelt, Du kannst aber alles in Deinen Gesellschaftervertrag aufnehmen was Du willst und bist dann gebunden; alle Gesellschaftsformen darüber sind eh vertraglich zementiert. Aber ein loses Netzwerk, das auch lose bleiben will?
Denn Austausch brauchst Du auch schon - oder gerade - in einem Status Deiner Selbstständigkeit, wenn Du noch nicht mal weisst, ob sich das erst Jahr trägt, geschweige denn den finanziellen und anderen Aufwand einer Firma.
So, jetzt haben wir den organisatorischen Teil schon nicht einfach und zufriedenstellend regeln können und kommen erst zu eigentlichen Thema: Denn oben geht es ja nicht mal um die geschäftliche Beziehung, sondern darum, was man so Flurfunk nennt. Das kurze Ausquatschen bei der Tasse Kafee im Flur.
Es gibt ja interessante Studien darüber, wie viel Zeit in einem normalen Büro wirklich sog. "effektive" Arbeitszeit ist - und wie viel zwischendurch passiert. Und dieses Zwischendurch ist extrem wichtig - da passiert im Endeffekt oft Weiterbildung in effektivster Art und Weise: "Wie geht dieses in Programm YX?" "Was hat Kunde B gemacht und wie gehen wir damit um?" "Schau mal, da hast Du den Schutzraum um das Logo nicht eingehalten!" "Boah, ist der C doof! - Ruf doch D an, der ist viel fähiger!" "Schau mal ich bin hier über ein Script gestolpert, das Dein Problem von gestern löst."
Und so weiter. Das wird an Wert gerne unterschätzt - aber das wird Dir in der Ausbildung garantiert niemand sagen, dass Du auch sowas haben musst.
Das musst Du selbst lernen. Und selbst organiseren. Ganz nebenher natürlich - aber man hat ja Zeit :)
Ergänzend zu dem, was Christian sagte (womit ich sowasvon d’accord gehe):
Ich denke bereits seit längerem eine Bürogemeinschaft mit einer Freundin, die ebenfalls selbstständig ist, an. Das kommt aber erst in Frage, wenn unsere Kleinstunternehmen wirklich stabil laufen, und darf auch nicht über eine Bürogemeinschaft (sonst: siehe Christian) herausgehen.
Für die anderen Bereiche funktioniert das „lose“ Zusammentun mit anderen Einzelkämpfern auf den digitalen Wegen auch schon ganz wunderbar :)
Die Probleme bleiben - Du musst erstmal wen finden, dem Du vetrauen kannst und mit dem die Chemie stimmt - dann erhöhst Du den Aufwand und wenn Du nicht außerdem noch ein gemeinsames Büro obendrauflegst, dann hast Du nicht einmal den Vorteil des zusammensitzens.
Aber gerade am Anfang ist halt kein Geld für ein Büro da :(
Außerdem ist eine GbR einfach Mist - Du hängst immer komplett mit Deinem Privatvermögen drin, auch wenn Dein Partner den Mist macht.
Ich denke nur, dass das Ziel eine Firma sein muss, da du dich sonst irgendwann aufrauchst. Dass dies kein einfacher, kurzer Weg ist, muss ich nicht betonen.
Ich denke eher, dass das Ziel ist, zu wissen, wer ein Chatfenster aufhat, wer mal was abfangen kann und wem ich mal was abfangen kann. Und da bin ich ziemlich weit.
Aber das ist wahrscheinlich eien Typfrage, ob man da feste oder lose Strukturen vorzieht :)
Auch ich glaube nicht, dass ich in der Lage wäre, meine geschäftliche Verantwortung mit anderen Menschen zu teilen, vertraue ich ihnen noch so sehr.
Ach, und übrigens: Hier wird sich nicht wegen eines Großbuchstabens geschämt, wir sind hier doch schließlich nicht bei einem Rechtschreibwettbewerb ;)
Als Unternehmer ist auch nicht jeder geeignet. Meine liebe Chefin ist evtl. eine Ausnahme, allerdings hatte sie andere Voraussetzungen. Dennoch inzwischen 7 Mitarbeiter, ohne GmbH, Inhabergeführt, mutig! Nun konnte ich sie wenigstens zu einer GmbH überreden, damit ihr eigenes Risiko minimiert wird.
Nun denn liebe Sero und Christian, ich wünsche euch natürlich, dass ihr euch nicht aufraucht, sondern einen Weg findet.
Allerdings, die eierlegende Wollmilchsau gibt es bekanntermassen nicht. Frei sein, selbstständig, halbwegs gut Geld verdienen, mangelndes Vertrauen in andere (bezugnehmend auf Fa.), dann doch noch genug Zeit für Freunde, Bekannte, von Beziehung ganz zu schweigen.
Dennoch meinen Daumendruck sollt ihr haben...;-))
und wenn es irgendwann mal anders sein sollte, dann wird es anders sein :)
Und @aufrauchen: ich glaube, ich habs inzwischen ganz gut raus. Das ganze Thema wurde ja auch angestossen durch die Ausbildungssgeschichte - und das man ganz viel nicht beigebracht bekommt - da klang ich - aus dem Blickwinkel - garantiert negativer, als ich es selbst für mich empfinde. Trotzdem danke für die Wünsche - kann man ja immer mal brauchen :)
Ja, ich bin durchaus festgelegt, zumindest für die nächsten Jahre. Ich bin noch nicht mal im Ansatz ein risikofreudiger Mensch, was ja Grundvorraussetzung zum Unternehmer mit Firma ist.
> Frei sein, selbstständig, halbwegs gut Geld verdienen,
> mangelndes Vertrauen in andere (bezugnehmend
> auf Fa.), dann doch noch genug Zeit für Freunde, Bekannte,
> von Beziehung ganz zu schweigen.
Da bin ich voll d’accord. Am meisten bohrt schon die fehlende Zeit und das Gefühl, unter Strom zu stehen. Um dies zu kompensieren, ist aber mein schönes Netzwerk (*winke*) Gold wert :)
Merci für deine Wünsche und den Daumendrück!
Die Hinweise auf das Chatfenster waren ein guter Reminder für mich, das Progrämmchen öfter mal anzuwerfen. Ein bisschen Flurfunk könnte ich nämlich auch ab und zu brauchen.
Insgesamt war deine Idee der persönlichen Berufsbild-Serie eine sehr gute und schön umgesetzte welche. :)