Mittwoch, 20. Dezember 2006
Das Erreichen der Stufe 10 oder: Life's a Bitch
Ich freu mich. Die „Alles was ich anfasse, verkommt zu einem kleinen Häufchen Asche“-Phase hat eine erneute Erweiterung erfahren. Das versetzt mich in die glückseelige Lage, Stufe 10 erleben zu dürfen. Ihr fragt: Wasn nu schon wieder. Ich sach: Ich erzähls euch.
Wichtige Ausgangsfakten:
- Vorgestern wollte ich nach der Arbeit direkt nach Hause fahren. Es war später als geplant, und so verschob ich gedanklich den Akt des Paket-Abholens aus der mütterlichen Wohnung auf den folgenden Tag.
- Meine Handtasche ist wie ein Körperteil. Ich habe noch niemalsnimmer in meinem ganzen Leben meine Handtasche unbeaufsichtigt gelassen.
Ereignis:
Als ich, vollkommen gestresst und den Kopf bis zum Anschlag voll mit diversen Gedanken, das Gelände meines Auftraggebers verließ, entschied ich mich um, dachte „Na, komm, holst du das Paket heute ab, musst du’s morgen nicht machen“, fuhr also geradeaus, anstatt rechts auf die Heimstrecke abzubiegen. Stellte mein Auto vor der mütterlichen Haustüre ab, begab mich in die Wohnung und wartete auf meine geliebte Frau O., um noch ein kleines Schwätzchen mit ihr zu halten. Kaum eine Viertelstunde später betrat meine Mutter die Wohnung. Ganz arg blass um die Nase, mit den Worten: Was ist mit deiner Beifahrerscheibe?
auf den Lippen. Ich haute ein laxes Was soll denn mit meiner Beifahrerscheibe sein?
raus und begab mich ruhigen Schrittes auf die Straße. Dä. Die hat also jemand eingeschlagen. Über dummes Proletenvolk lamentierend ging ich wieder zurück in die Wohnung, um meine kleine geliebte Digiknipse zu holen und den Schaden auf Speicherkarte zu bannen.
Recht unpassend war nur, dass meine Handtasche, in der die kleine Knipse immer seelig zu schlummern pflegt, nirgends aufzufinden war. Da erst schwante mir was. Und wie mir was schwante. Ich hatte meine Handtasche im Auto gelassen. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich, vollkommen duselig von Zu-viel-im-Kopf, eines meiner Körperteile auf dem Beifahrersitz vergessen. Und dieses allererste Mal rächte sich innerhalb einer läpschen Viertelstunde. Keine 10 Meter von meinem Sitzplatz entfernt. Weil ich geradeaus fuhr, anstatt rechts abzubiegen.
So verbrachte ich eine lustige Dreiviertelstunde zwischen Polizeibeamten, erbettelte eine Zigarette nach der Anderen (meine hattense natürlich auch direkt mitgeklaut, diese [insert Analgegendbeschreibung im Plural]), und zählte die Dinge auf, die mich bis vor kurzem bei jedem Schritt begleiteten. Meine gerade mal ein halbes Jahr alte Digiknipse mit etlichen Fotos. Mein gerade mal ein Dreivierteljahr altes, vom Munde abgespartes MDA. Mein Nokia 6600 mit den gesammelten SMS der letzten 3 Jahre. Meine wunderschöne, kaum genutzte, weil geehrte Ledertasche, die mir meine Familie einst zum Geschenk machte. Mein geliebtes, so wunderbar weiches Portemonnaie mit Bargeld, inklusive dem schönen Foto von meinem Poschisten, das durch ein wenig Dreck auf der durchsichtigen Folie den Eindruck erweckte, er hätte einen großen Leberfleck auf der Wange, was mich immer zum Lächeln brachte, wenn es daran ging, Geld auszugeben, das ich nicht hatte. Personalausweis, Fahrzeugschein, EC-Karten, massiv überlebensnotwendiger Weibchenkram. Alles fott.
Das, was an Wut aus mir herausbrach, war nur ein leise gefluchtes „Life’s a bitch“. Und das einzige, was mir die Tränen in die Augen, aber noch nicht mal zum Herauskullern trieb, waren die verlorenen kleinen Textbröckchen, die mir liebe Menschen aufs Handydisplay zauberten. Übrig bleibt emsige Geschäftigkeit. Das, meine lieben Leser, ist Stufe 10: Die vollumfängliche „War was?“-Phase.
Wer jetzt kluge Sprüche klopfen möchte, ist herzlich eingeladen, das hier zu tun. Ehrliche Mitleidsbekundungen empfange ich gerne reichlich in der Zuckerschachtel. Und sollten wir uns alle nicht mehr lesen, was recht wahrscheinlich ist, da ich mit Schadensbegrenzung vollauf beschäftigt bin:
Ich wünsche euch von Herzen ein schönes Weihnachtsfest, mit den Dingen, die wirklich wichtig sind. Gemeinsam erlebte Ruhe. Ein echtes Lächeln. Und eine warme Hand in der eigenen.
Ich hoffe, Du hast die Möglichkeit, Dich über die Feiertage ein wenig trösten und betüddeln zu lassen!
Jedenfalls schicke ich gleich dem Nikolaus noch ein extra Wunschzettel mit Wünsche für dich und eine Abmahnung die @!@$%! die Bescherung zu enthalten.
P.S.:Jag den Poschisten zum Fotografen und danach durch den Photoshop. Es ist nicht dasselbe - aber es ist auch der Gedanke der zählt und nicht die Anordnung chemischer Farbflecke *lächel*
Ex-Cheffe:
Ich hab Sie gestern sooo vermisst. Schade, dass Sie nicht da waren. Habe mein Glas auf Sie erhoben.
Und ich bin mir sicher, dass auch dieses Jahr vorbeigeht - und wünsche uns ein besseres nächtes :)
(Vielleicht habe ich die negativen Karma-Punkte ja alleine dadurch gesammelt, dass ich keinen Dreitagebart habe? Da muss ich mir aber dringed was einfallen lassen!)