Donnerstag, 15. September 2005
Fünfundzwanzisch
Ein ganzes Vierteljahrhundert liegt hinter mir, und ich meine, es verging wie im Flug. Ich muss mich zwar noch daran gewöhnen, nun ständig längere Zeitspannen erinnern zu müssenwollenkönnensollen, doch bin ich nicht der unhaltbar verfrühten Angst vor dem Altern und der Erhabenheit der vermeintlich gewonnenen Lebensweisheit, welche ich bei Vielen zu diesem Zeitpunkt verwundert schmunzelnd beobachten konnte, anheim gefallen. Lediglich sind ein paar äußere Fältchen zu beklagen umschiffen, die mich zwingen, das Augenlid zu straffen, möchte ich es mit Eyeliner versehen. Thanks to good old Tabakgenuss.
Merkwürdig, diese Jährung des Tages, an dem meine geliebte Frau O. unter Schmerzen und Vorfreude dieses kleine Balg gebar, das sich heute bewusst ich nennt. Merkwürdig, weil ich mich seit Jahren genau an diesem Tag immer so traurig anfühle, weil die Tränchen kullern, ohne mir zu sagen warum sie unbedingt Freigang brauchen. Weil mir jegliche Ganztagsfreude, die andere Menschen an so einem Tag fühlen, spätestens Ende der 90er abhanden gekommen ist.
Ich freue mich von meinem Poschisten um Punkt 12 kuschelweich mit einem Happy Birthday geweckt zu werden, freue mich über die lieben Anrufe, freue mich über die postversendeten Grüße, nehme Gruß-SMS (eine Unart, wie ich finde) nickend zur Kenntnis, um im nächsten Moment wieder mit der Fassung kämpfen zu müssen, die Augen zuzupressen und mich vom Alleinsein wegzukonzentrieren. Gerade heute wäre ich gerne bei meinem Job auf dem Berg, um Menschen um mich herum zu haben, die meine Gedanken mit ihren Sätzen überschreiben; wäre gerne nicht hier, mir selber und meinem beschädigtem Antrieb ausgeliefert.
Vielleicht rührt die Traurigkeit ja von meinem hinterlistigen Unterbewusstsein her, dass sich gegen Freude sträubt, weil heute Freude erwartet wird, und deshalb eine Armee Depressionshormone losschickt um gegen die Zwangsfreude ins Feld zu ziehen. Vielleicht ist es auch diese rationelle Denkweise, die sich leise einschleicht um mir mitzuteilen, dass ein Geburtstag schließlich ein Tag wie jeder andere ist. Vielleicht streitet sie sich lauthals mit meinem harmonie- und zuneigungssüchtigen Ego, welches einen Tag lang weichgespült und allseitig gekrault werden will.
Ich weiß es nicht. Aber mit ein wenig Glück und Spucke habe ich noch einige solcher Tage vor mir, um den Knoten zu lösen. Fünfundzwanzisch. Tschakka.
falls nicht: ach, ich hab gar nichts gesagt...
Ich kenn aehnliche Gefuehl, hab selbst jahrelang behauptet, ich waere zwanzig, weil ich die naechsten vier Geburtstage schlicht ignoriert hatte ...
Und einen Grund zum Feiern weiss ich immer noch nicht.
(Was ein Selbstbewusstsein)
Merci! Aber sagen Sie doch bitte Âdu zu mir. Ich bin da nicht so.
Christian:
Dankeschön, so ohne Floskelinhalt freue ich mich darüber sehr :)
Das mit dem Selbstbewusstsein ist ein interessanter Aspekt, ich habe gestern auch viel über meine eigene Wertschätzung nachgedacht und einmal wieder festgestellt, dass es damit wesentlich besser stehen könnte.
Eine liebe Freundin hat mich gestern Nachmittag aus dem Tief geholt, indem sie mir aufgezeigt hat, wie sie mich sieht und mir bewusst machte, dass sie mich aus Gründen schätzt, aufgrund derer ich selber andere Menschen wertschätze.
Eigentlich sollte das ein guter Grund sein, sich selber mehr zu schätzen und sich zuzugestehen, sich über sich selber auch freuen zu dürfen.
Daran zu arbeiten ist nicht leicht, weil es sich unangemessen anfühlt, sich selber ganz prima zu finden. Aber darin liegt ja der Hund vergraben.
Die Geburtstage anderer Menschen feier ich komischerweise sehr gerne und empfinde sie als wunderbare Gelegenheit, einem Menschen ohne Situationsgebundenheit, also eigentlich ohne konkreten Grund, zu sagen, dass ich es schön finde, dass er geboren wurde, dass er daher da ist.
Ich merke, ich verenne mich. Worauf wollte ich eigentlich hinaus?
Vielleicht, dass man sein Ego immer mehr unterdrückt, als man es von Anderen verlangt; dass die eigene Messlatte zu hoch ist und man deshalb den Grund zur Selbstbeweihräucherung nicht sieht oder sehen mag.
Ich selbst eile gestreßt meinem 26. entgegen, also genieß die 25, die dauern auch bloß ein Jahr...
Tobias