Dienstag, 13. Mai 2008
So kanns gehen
Der Fahrer im Wagen vor mir ist eindeutig gestresst. Er fährt dicht auf, fährt illustre Links- und Rechtskurven auf gerader Strecke und trommelt unentwegt und unrhythmisch mit den Fingern auf sein Wagendach. Wohlgemerkt stehen wir in einem ampelbedingten Rückstau, der sich aller Wahrscheinlichkeit nach kaum durch hektische Fahrweise in Luft auflösen wird. Ich hingegen komme gerade vom Sport mit anschließenden Saunagängen und bin so entspannt wie eine Hängematte. Mindestens.
Nach für ihn offentlichtlich unerträglichen 3 Minuten ist es für uns endlich soweit: Wir dürfen wir die Kreuzung überqueren. Er gibt Gas wie ein Berserker, fährt seinem Vordermann fast ins Heck, bremst hektisch … ich seh ihn fluchen und amüsiere mich köstlich. So, wie ich mich immer über diese Autofahrer amüsiere, die sich nicht in Gegebenheiten fügen können. Diese Autofahrer, die sich stets gezwungen fühlen, Druck zu machen, auch wenn das so rein gar nicht hilfreich ist.
Wenige hundert Meter später stellt sich heraus, dass wir das gleiche Ziel haben: eine Tankstelle. Ganz schön voll ist es hier angesichts der Spritpreise, aber mein Vordermann und ich, wir wollen ja gar nicht tanken, wir wollen nur fix tankstellenshoppen, also halten wir kurzerhand vor dem Gebäude. Da ich ein netter Mensch bin lasse ich gut 1,5 Meter Abstand zu meinem Vordermann als ich den Motor abstelle und schmunzele den fahrigen Bewegungen des armen gestressten Mittvierzigers hinterher, noch bevor ich mich selber auf den Weg mache, um mich ans Ende der langen Schlange Zahlungswilliger zu begeben.
Und wie durch ein Wunder – schließlich schlendere ich fast wie in Zeitlupe – nehme ich wieder den Platz direkt hinter ihm ein. Diesmal nur leider ohne schützendes Auto. Es ist schon interessant, welche Variationen an Schnaubgeräuschen ein gestresster Mensch produzieren kann. Wie unrhythmisch man mit Schlüsseln klappern und gleichzeitig vom einen Fuß auf den anderen wippen kann. Sagte ich interessant? Ich meinte nervernzerreißend. Selbst für meine zengleiche Grundstimmung wird sein Gehabe langsam zu viel, und daher passiert es mir in einem unachtsamen Augenblick, dass ich ihm etwas an den Hals wünsche. Dabei denke ich an so etwas harmloses wie ein beim Hinausrennen umgerissenes Sonderpostendisplay Plüschtiere, an ein aus der Hand rutschendes, offenes Portemonnaie voller Kleingeld, an einen simplen Quittungsrollenwechsel.
Nichts dergleichen geschieht, und so kaufe und bezahle ich, während ich die hinauseilende Nervensäge kurzerhand vergesse. Das Vergessen währt jedoch nicht lange – denn als ich das Tankstellenhäuschen verlasse, schnaubt mich plötzlich eine Stimme an, ob DAS DA(!!!) etwa MEIN roter Mitsubishi wäre. Vor mir steht der Hektische und deutet erbost auf meine Bitch. Ein klein bisschen fassungslos bejahe ich, während mein Gegenüber puterroter Schnappatmung frönt, und so kann ich es mir nicht verkneifen, ein Jetzt sagen Sie mir doch bitte nicht, sie kommen da nicht raus?
hinterherzuschieben und vorsichtig zu kichern breit zu lachen. Vorwurfsvoll, geradezu herrisch bedeutet er mir, ihm zu folgen, und zeigt mit dem Finger auf mein Auto.
Ja was ist denn bitte jetzt damit?
frage ich, mittlerweile schon ein wenig ungeduldig, alleine schon wegen der unangenehmen Nähe zu diesem unangenehmen Zeitgenossen. Ich bin dagegen gefahren!
schnauzt er und presst seinen Finger auf eine lacklose Stelle an meiner Stoßstange. Dass er sich dabei nicht gorillagleich auf die Brust schlägt ist fast alles. Ich muss schwer an mich halten, nicht in schallendes Gelächtes auszubrechen und ihm kein gönnerhaftes Das kommt davon!
auf die Schulter zu klopfen. Der gute Mann hat es tatsächlich geschafft, meine einmeterfuffzig entfernte Bitch zu rammen! Über so viel Fahrigkeit gepaart mit unangemessener Ruppigkeit kann ich mich beim besten Willen nicht ärgern, und so beschränke mich auf dezentes Feixen während des Kontaktdatenaustausches.
Als ich ihm wenige Minuten später einen schönen Abend wünsche, ernte ich ein fast gespucktes Jetzt wohl nicht mehr!
, und der Hektische zieht von dannen. Er wird jetzt seinem Arbeitgeber die kleine Blötsch und die roten Lackspuren am weißen Firmenkombi erklären und sich noch mehr um seine Herzkranzgefäße sorgen müssen, während meine Bitch nur ein wenig mehr Grundierung zeigt, als sie es eh tut. Ich sollte wohl trotzdem in Zukunft etwas umsichtiger mit meinen Wünschen sein, ist es doch ein wenig überraschend, wie schnell meine durchaus unfreundlichen Gedanken bestraft wurden, und so senke ich mein Haupt demütig vor der offensichtlich allmächtigen Social-Correctness-Gottheit. Aber das – ich muss es zugeben – war es mir in diesem Falle wert. Und wie!
*knicks* ;D
(Hier kommt kaum noch wer vorbei, btw. Auch recht angenehm das Gefühl unbeobachtet zu sein - nach dem Gefühl, dass mir zu viele direkt auf dem Schoß sitzen. Echtes Kontrastprogramm!)
Sven:
Ein kurzes, vollkommen ernst gemeintes: JO!