Sonntag, 22. Oktober 2006
Nur noch ein Weilchen. Bitte.
Sie klingt überraschend gut am Telefon. Sie lacht, nur kurz nachdem sie mir in einem Nebensatz gesagt hat, dass sie Angst hat. Wir müssen doch jetzt lachen, oder!? Was haben wir denn sonst noch?
fragt sie mich, ohne wirklich zu fragen. Mir bleibt das Lachen im Halse stecken. Ich huste es trotzdem aus und hoffe, dass sie nicht hört, wie aufgesetzt es ist. Ich lache für Sie, während mir eine einsame Träne die Wange hinunterrollt. Ich sehe sie, als sie auf dem Schreibtisch zerschellt und wundere mich darüber, dass ich sie vorher nicht gespürt habe.
Sie spricht von ihrem reichen Leben, spricht davon, dass sie so nicht mehr weitermachen möchte, nimmt das Wort Risiko vorsichtig in den Mund und lacht es an. Mach dir nicht zu viele Sorgen um mich. Ich will das und ich schaffe das schon. Und wenn ich es nicht schaffe, dann ist das halt so. Dann habe ich es wenigstens versucht. Drück mir bitte die Daumen.
sagt sie in einem fast vergnügten Ton. Ich schmecke Magensäure, brauche einen Moment, will für sie den gleichen Ton finden. Ach Mäuschen, ich weiß schon. Aber ich bin doch schon alt.
. Mühsam kämpfe ich die Tränen und die Bitterkeit herunter und lache sie an, sage ihr, dass ich sie ganz fest in den Arm nehme, dass sie zwar alt ist, aber ja schon immer ein Sturkopf war und dass sie es schaffen wird.
Wir reden, lachen noch einen Moment. Ihre Schwester ist bei ihr zu Besuch, der Kaffee wird kalt und sie sagt, dass sie zurück zum Kaffeetisch möchte. Ich schlucke den Ausruf, sie solle doch keinen Kaffee trinken, das wäre nicht gut für sie, und den Impuls, sie fest, sie bei mir zu halten hinunter.
Einen schönen Sonntag noch, Mäuschen. Ich hab dich lieb.
Ich hab dich auch lieb, Omi. Pass auf dich auf.
Sie ist 79 Jahre alt. Nächste Woche wird ihr Leben in den Händen von Narkoseärzten und Chirurgen liegen. Ich habe Angst, dass sie es vielleicht nicht halten können.
Ich weiß kaum, was ich sagen soll. Aber ich werde das tun, was ich eigentlich nicht tue. Ohne über Nutzen oder Sinn nachzudenken.
Alles andere weißt Du ja auch ohne dass ich es jetzt hierhin schreibe..
Es steht immer noch nicht fest, wann die Operation stattfindet. Davon abgesehen, dass uns daher die Nerven noch mehr flattern, ist das auch rein organisatorisch ein Dilemma, denn meine Oma wohnt 550 Kilometer von hier, und unser zeitgenaues Da-sein an ihrer Seite wird dadurch nicht einfacher zu realisieren sein …
Sie wird morgen direkt als Erste operiert … Mir wird schwindelig, ich presse das Telefon fest gegen meine Wange und atme tief durch, atme die leise aufsteigende Panik klein, besinne mich auf meine Aufgabe. Dann fahre ich nachher los. stelle ich fest, sp
Aufgenommen: Montag, 30. Oktober 2006
Ein letztes Mal 550 Kilometer für dich gefahren. Eine Heidenangst gehabt. Du hast bestimmt gelächelt, ich solle mich nicht ängstigen, und mich einen kleinen Schisser genannt. Ein letztes Mal deine Hand gestreichelt. Eine Träne ist dabei auf dein Laken ge
Aufgenommen: Dienstag, 9. Juni 2009