Mittwoch, 16. August 2006
Titel zu vergeben
Jahrelang führte ich ihn, den Titel, den ich mir selbst verlieh – zwar nicht mit Stolz, aber mit Vehemenz und tiefer Überzeugung. Gestern habe ich ihn mir ebenfalls selbst aberkannt, indem ich den einfachen Aussagesatz „Du kannst den Vertrag fertig machen“ schmerzfrei an einen Mann richtete, der einen Sportpark betreibt.
Ja, lieber aufmerksamer Leser, Sie dürfen ihren Augen ruhig trauen: ich bin nicht mehr der konsequent unsportlichste Mensch, der mir persönlich bekannt ist™.
Es begab sich zu einer Zeit im Jahre 2006, in welcher die Weibchen unserer Breitengrade beginnen, sich mit Bademoden zu versehen, als auch ich auf die Idee kam, den einen oder anderen Bikini anzuprobieren, um ihn käuflich zu erwerben und in Schwimmbädern zwischen wildfremden Menschen unterschiedlichsten Körperbaus auszuführen. Nach jahrelanger Schwimmbadabstinenz – das muss man dazu wissen – war alleine die Vorstellung dieses Tuns Treibstoff genug für Panikattacken mittleren Ausmaßes. So betrat ich in poschistischer Begleitung und unter ängstlichem Herzwummern ein Bekleidungsgeschäft und wählte aus der Masse der Ware eine große Anzahl vielversprechender Zweiteiler, klemmte sie mir forsch unter den Arm und betrat höchstmutig mit gestrecktem Kreuze eine dieser unglaublich ungünstig und ungnädig ausgeleuchteten Kabinen, um die Passform der schmalen Stoffbahnen zu prüfen. Jede Frau, die nicht mit einem Gewebe aus Stahl und absoluter Körperfettarmut gesegnet wurde, wird sofort wissen, wozu eine solche Kabine in der Lage ist. Mich brachte sie zum heulen. Bittere Tränen weinte ich, Krokodilstränen der untröstlich-verzweifelten Sorte, nie enden wollende Bäche körpereigenen Salzwassers, die ganze Alpentäler hätten fluten können – wurde doch mein jahrelang gehegter Traum vom gesellig-unbeschwerten Sonnenbaden soeben von der Bikini-Kabinenlicht-Kombination zu Grabe getragen. So, das stand felsenfest, würde ich mich nicht unter halbnackte Menschen begeben, um deren optische Leidensfähigkeit einer Prüfung zu unterziehen.
Unter Tränen also, die etwas hilflose Hand des Poschisten haltend und das Handy mit der tröstenden Stimme der Domfrau ans Ohr pressend, gebar mein Unterbewusstsein einen festen Entschluss. Einen Entschluss, den man durchaus unter dem Projektnamen serotonic 2.0 (wahlweise auch serotonic advanced, ich bin noch für Vorschläge offen) führen könnte: Die konsequente Unsportlichkeit musste ein Ende haben. Schließlich bin ich ja noch ein junges Ding mit entsprechend jungem Gewebe, und wenn ich heute schon die durchschnittliche Jahres-Tränenmenge an einem einzelnen Sonnentag verbrate, nur weil mir Kabinen und Bikinis Böses tun, dann sollte ich mich schon einmal auf schwere Depressionszustände als Enddreißigerin gefasst machen – sofern ich nicht auf den Entschluss meines Unterbewusstseins einginge.
Und so ging ich, nicht nur ein, sondern auch zum Probetraining im Sportpark des Poschistens Wahl. Ein freundlicher, ausgesprochen appetitlich gebauter Trainer schmunzelte aufgrund meiner Vorwarnung, ich würde sportliche Aktivitäten seit 1999 ganzherzlich hassen und daher der konsequent unsportlichste Mensch, der mir persönlich bekannt ist™ sein, ein wenig bitter und versicherte mir, er hätte im Knacken harter Nüsse reichlich Erfahrung. Woraufhin er mit der Aufnahme meines derzeitigen, durch ganze 7 Jahre fast ausschließlichen Sesselhockens erzeugten Fitnesszustandes, begann. Und – oh Wunder – ich war fit! Alle Werte im grünen Bereich, von K wie Körperfettgehalt über L wie Lungenvolumen bis P wie Pulsfrequenz. Mein frisch gesalbtes Seelchen und ich waren da natürlich hochmotiviert und ließen sich strahlend ein feines 90-Minuten-Programm zusammenstellen, bestehend aus Kräftigung der Stützmuskulatur, dezentem Body-Shaping und Ausdauertraining. Eben dieses 90-Minuten-Programm absolviere ich nun 2 Mal pro Woche, und dies seit einem Monat.
Und jetzt zünde ich den absoluten Knaller: Ich habe Spaß daran. Eine Menge Spaß. Und bekommt der konsequent unsportlichste Mensch, der mir persönlich bekannt ist™ den Kopf bei 6% Steigung frei? Piekst er seinem Poschisten die Rippengegend, wann es denn wieder zum Sport ginge und schließt die Augen beim Gerätetraining? Freut er sich, wenn seine Beine nach den 90 Minuten so richtig schön zittern? Strahlt er seinen Trainer um einen Jahresvertrag an? Nein. So etwas macht kein konsequent unsportlicher Mensch.
Somit habe ich den Titel neu zu vergeben; wer möchte, bewerbe sich bitte schriftlich (als Beweismittel dienen beglaubigte Zeugenaussagen langjähriger, enger Freunde in Kombination mit wenigstens einem weiteren Beweismittel, zum Beispiel einer mindestens 5 Jahre alten Fitnessstudio-Austrittserklärung). Ich möchte ihn jedenfalls jetzt nicht mehr, den lange geführten Titel – und will ihn auch in Zukunft nicht wiederhaben.
Ach, bevor ich es vergesse: Das Bikini-Fiasko fand übrigens Dank des Rates meines Poschisten und der lieben Domfrau, doch bei einem großen Versandhaus mit 4 Versalien zu bestellen und das Resultat in natürlichem Lichte zu betrachten, ein ausgesprochen glückliches Ende. Ich bin stolze Besitzerin eines gar wunderhübschen Triangel-Bikinis. Wir Zwei trauten uns bereits Ausgang zu, schwammen in gechlorten Gewässern und räkelten uns zwischen vielen halbnackend sonnenbadenden Menschen. Und ich bin mir absolut sicher, dass wir dabei niemandes Leidensfähigkeit prüften.
Den Titel will ich übrigens nicht, obwohl ich mich langsam auch mal wieder aufraffen sollte...
Meinen herzlichsten Dank! Ich kann jetzt schon einen außerordentlichen Muskelzuwachs verzeichnen, Sie sollten mal meinen Trapezmuskel sehen, hoho!
Hinterlektuelles:
Wie, du schließt auch die Augen beim Gerätetraining? :D
(Ich las erst kürzlich bei dir kopfschüttelnd die Geschichte aus der Umkleidekabine – tsts, sowas bleibt einem im Weibchen-Abteil bastetlob erspart.)
Zuerst konnte ich mir nicht erklären, warum deine URL abgewiesen wurde, habe aber jetzt durch ausprobieren festgestellt, dass Akismet wohl alle twoday-URLs blockt. Muss da irgendwie in die Blacklist gerutscht sein. Akismet hier abzuschalten würde mir allerdings die nächste 200-TB-Spam-pro-Tag-Moderationsschleife einbringen – insofern hoffe ich, dass das Problem auf Akismetseite schnell gelöst wird. Sorry für die Einschränkung!
Smiley:
Hehe, sportlich, sportlich, der Herr!
Und dankeschön für den guten Wunsch – ich muss aber sagen, dass ich bereits meine Wohlfühlfigur habe, auch vor dem Bikini-Fiasko schon. Der Entschluss zum Sport kam tatsächlich durch dieses einzige echte Unzufriedenheitserlebnis in den letzten 2 Jahren. Und vielleicht auch daher, dass dadurch auch mein Unterbewusstsein begriffen hat, dass ein junger Körper nicht immer jung bleibt und ich etwas tun muss, um den Ist-Zustand so lange wie möglich zu erhalten :)
Googelt wo der ist*
Na, Sie ham ja Vorlieben...
kann es noch gar nicht richtig fassen, dass du ihn tatsächlich abgegeben hast!
was ich da in letzter zeit so aus deinem munde höre...erst die hohen schuhe und dann noch SPORT!?!? unglaublich, wo soll das enden?
hier sei auch mal betont, dass es dabei nicht nur um die liebe figur geht. die gesundheit kann auch ganz schön unter ständigem bewegungsmangel leiden (merk ich immer dann ganz gut, wenn ich zur bahn sprinten muss und diese völlig außer atem erreiche)...;o)
glückwunsch jedenfalls zu dem sinneswandel...du strahlst mehr sonnenschein denn je aus!
Sie sollten diese Partie bis hin zum Nacken nicht unterschätzen. Mal so unter uns...
Nur nicht, dass sie auf Platz eins der nicht zu unterschätzenden Stellen stände.
Aber: Mal sehen...
Ich war gedanklich allerdings etwas abgeglitten und schon bei der ganz allgemeinen Betrachtung nicht zu unterschätzender Stellen angekommen. Mal so ganz personen-unspezifisch betrachtet ...
Trotzdem sollten Sie sich in Zukunft mehr zusammenreißen. Ein wenig Gentleman sollte man ja dann doch sein, irgendwie.
2. Herr H., Wenn Sie den Trapezmuskel begutachten nehm ich mir mal den Maximus maximus vor. Der dürfte recht wohltrainiert sein. Die serotonic ist nämlich nicht ganz so unsportlich wie sie vorgibt. Seit bald einem Jahr ist sie nämlich Konsistorsistin im Troisdorfer Aldi, falls Sie es noch nicht mitbekommen haben sollten...
Wenn Sie Fräulein Serotonics Musculus gluteus maximus meinen, so können Sie sich die Mühe sparen: sind beide absolut in Ordnung!
Allerdings müssen Sie mir nun mit Ihrer Wortkreation ein wenig weiterhelfen, da mir auch nach Studium diverser Wissensquellen nicht klar wird, was Sie denn nun eigentlich meinen.
Was es aber auch immer heißen soll: Nein, ich habe es nicht mitbekommen.
Meine Wortkreation war bereits cerebral vertippt, schon dass ich mich bis Kontor vertat war ein Schlag ins Selbe, gemint waren Kontorsionistinnen - und mehr über Frau serotonic im Zusammenhang damit finden Sie unter http://gedankenzoo.serotonic.de/302-Aus-der-Reihe-Schoene-Worte.html und http://myblog.de/tragophil/art/3197294
Fräulein Serotonics Vorführzeiten habe ich gar nicht mitbekommen, so was auch.
Also bei der nächsten Vorstellung werde ich ein wenig länger bei den Getränkekartons verweilen.
Zu meinen Gedanken äußere ich mich besser nur persönlich unter 4 Augen ... in Ihrem Sinne, Herr K.
Ihr Tobias "immerwiedergern" K.
@serotonic Ich hoffe, wir stören nicht...?
(schmunzelt und geht mal wieder 1&1 treten, da Internetz wieder alle 2 Minuten fott. Su ’ne Driss, doo!)
Du, DAS frag ich mich auch :D
> die gesundheit kann auch ganz schön
> unter ständigem bewegungsmangel leiden
Oh ja. Ich hoffe ja, dass die regelmäßige körperliche Ertüchtigung auf lange Sicht für einen stabileren Blutdruck sorgt. Und dass die Stützmuskulatur die ganzen chronisch entzündeten Schleimbeutel schmerzfreier werden lässt. Ich bin gespannt!
Und: DANKE. Eine riesengroße, hochvolle Kusshand für dich, meine Liebste!
(Die passende Stelle ist da, wo auch immer Sie sie visualisieren möchten. Ist ja alles in Ihrem Kopf, da halte ich mich raus. *g*)
[bitte ein geckiges Davontänzeln mit einem Liedchen auf den Lippen (audio)visualisieren]
Wir erinnern uns: Ich war einmal der konsequent unsportlichste Mensch, der mir persönlich bekannt war™. Nachdem ich den sportparkischen Jahresvertrag unterschrieb, legte ich so richtig los; aus meinem kleinen 90-Minuten-Programm wurde nach wenigen
Aufgenommen: Dienstag, 3. April 2007