Freitag, 4. August 2006
Erinner dich
Du sagst, du willst zurück. Willst zurück zu dem, was du jetzt Geborgenheit nennst. Darf ich dich erinnern? Darf ich dich an den Schmerz erinnern, den allein das nach-Hause-Kommen ausgelöst hat, erinnern an die Kälte, die du nicht ertragen konntest? Versteh mich nicht falsch, ich will nichts schlecht reden, will dich nicht biegen, dir keine Richtung weisen, sondern dich nur an dich selber erinnern. An das Ich, das jahrelang gekämpft und das getragen hat, was für 2 Schulterpaare gedacht war, zumeist sogar klaglos. An das Ich, das feststellen musste, dass seine Flügel verkümmert waren durch das lange Tragen der schweren Last. Du, das ist das Ich, das noch vor ein paar Tagen leuchtende Augen bekam, weil es fühlte, dass auch Flügel sich erholen können – das Ich, das wusste, dass Fliegen wieder möglich sein wird, irgendwann.
Sag mir, darf ich dich erinnern? Erinnern an deine Worte, die mich beeindruckt haben, weil sie für einen Menschen in deiner Situation erstaunlich objektiv und humorvoll waren? Du hast deine Situation mit einem Gleichnis beschrieben. Du hast gesagt, es ist eigentlich genau das Selbe wie ein Gang zum Zahnarzt, nur die Version im Directors Cut, mit fast unerträglicher Überlänge: Du bemerkst einen Schmerz im Zahn, der über lange Zeit nicht weggeht, stellst irgendwann fest, dass der Schmerz immer stärker wird – dann gehst du zum Zahnarzt, obwohl du weißt, dass er bohren, oder gar die Wurzel behandeln wird, du weißt, dass du Schmerzen haben wirst, schlimme Schmerzen gar, aber du weißt auch, dass es deine einzige Möglichkeit ist, den Schmerz im Zahn entgültig loszuwerden, schmerzfrei und wieder genußvoll kauen zu können. Das waren deine Worte. Heute ist der Zeitpunkt gekommen, dich an diese Worte, dich an dein eigenes Gleichnis zu erinnern. Erinner dich.
Schön, wenn man in solchen Situationen jemanden wie DICH hat!
Danke wiedermal für einen sehr lesenswerten Text...
So ungefähr ;) Aber das
> für sie schlechten ex-partner
wertet mir zu sehr. Gerade das wollte ich damit nicht ausdrücken, das wäre zu schwarz/weiß gedacht und auch nicht fair diesem Menschen gegenüber.
Frau Maki:
Bitte visualisiere ein Lächeln, nur für dich!
Anonym:
Ich wollte dir jetzt etwas über Flügel, Engel und dem, was einen Menschen zum Engel für einen anderen Menschen werden lässt, schreiben – aber ich finde die Worte nicht, was auch an einigen soeben gelesenen, wunderbaren, überwältigenden Zeilen liegen kann … daher einfach nur ein tiefherzliches Danke …
Lydia:
Ja, das ist es. Ich war wirklich platt, als ich es von einem Menschen, der sich – folgt man dem Vergleich – gerade eben auf den Zahnarztstuhl gesetzt und somit dem Zahnarzt ausgeliefert hatte.
Tobias:
Ja, das ist wahr :)
Aber auch nachdem man diesen Punkt erreicht hat, fällt es einem hin und wieder sehr schwer, den neuen Blickwinkel festzuhalten und verfällt leicht wieder in den alten, hat Angst, einen Fehler gemacht und eben doch nicht alles getan zu haben. Und um so einen Moment des Zweifelns dreht sich mein – offensichtlich gelungener (FREUDE, große Freude!) – Versuch, zu erinnern.
Alle:
Damit sich niemand weiterhin Sorgen um mich macht: In diesem Eintrag geht es nicht um mich und um den Poschisten, sondern um einen lieben Menschen, der mir sehr nahe ist.
Meinen herzlichen Dank für die lieben E-Mails, sie haben mich sehr berührt!
Vielleicht sollte ich zum Zahnarzt gehen!
Einen schönen Tag wünscht Ihnen
SirParker
Ich denke, es ist manchmal hilfreich, vor Schmerz zu warnen, auf gewisse Dinge aufmerksam zu machen, zu erinnern, um Menschen damit vor einem Loch zu schützen, *bevor* sie hineinfallen. Wenn der Mensch daraufhin bereit ist, tief in sich hineinzuhören und weiterzudenken, kann die Lektion auch auf diesem Wege, durch Positiverfahrung, gelernt werden.
Ist der Mensch allerdings noch nicht an dem Punkt, an dem er für Rat/Beistand/Hinweis offen ist, dann helfen blutige Knie, die Erkenntnis einzuläuten …
Wäre der Zahn nicht auch von selbst verheilt?
Wäre die Wahl des Arztes von Bedeutung?
Kann dieser leblos Zahn den Schmerz noch übertragen?
Verhilf mir doch zur Klärung bitte.
Lebenskampferfahrung hat nach langem Kampfe keinen Wert mehr.
Nichts desto trotz bin ich der Meinung, dass der Zahn raus sollte, damit ein Neuer wachsen kann, der vielleicht auch wieder schmerzen kann, doch die Zeit bis zu dahin ist voller Genuß und demnach um Welten besser als dieses kranke schmerzend Ding.
> Kampfe keinen Wert mehr.
Es fällt mir schwer, diese Feststellung nachzuvollziehen. Vielleicht, weil ich meine bisher durchzustehenden Kämpfe, auch wenn sie über Jahre währten, im nachhinein immer als (Zu-)Gewinn gefühlt habe und dieses Wissen immer präsent halte. Den Mut zu verlieren und diesem Verlust ergeben sein, nimmt uns das nicht nur die Kraft, sondern auch die Chance, den Weg zum Besseren zu beschreiten?
Und ist die erste Frage nicht schon, zumindest im Ansatz, mit dem dritten Satz aufgehoben? :)