Mittwoch, 3. August 2005
Tränengas auf der CzechTek
Nicht gerade taufrisch, die Meldung vom polizeilichen Übergriff an der deutsch-tschechischen Grenze; bei mir geht zur Zeit aber alles etwas langsamer von Statten. Richtiggehend schockiert und wütend bin ich über den Vorfall, denn unter anderen Umständen hätte ich mich ebenfalls dort befinden können.
Was passierte: Am vergangenem Wochenende fand die CzechTek, ein Technofestival, ihr jähes Ende durch – aus meiner Sicht – absolut übertriebene Polizeigewalt. Grund des Einsatzes waren wohl fehlende Genehmigungen sowie Beschwerden von Anwohnern. Eingesetzt wurde ein 1000 Mann starkes SEK, Wasserwerfer und Tränengas – gegen ca. 6000 bis dahin friedliche Festivalbesucher. Es gab ca. 100 Verletzte, davon wohl eine Hand voll Schwerverletzte und einen Toten.
Schon allein das Verhältnis von Besuchern zu Einsatzkräften lässt mich ein wenig verwundert dreinschauen. 1000 Mann anrücken lassen, um eine bislang friedliche Party zu beenden? Das alleine stinkt schon, irgendwie. Reicht es doch normalerweise aus, die Musik abzudrehen und ein paar Stündchen zu warten, bis die Feierwütigen Schritt für Schritt frustriert, aber freiwillig das Feld räumen.
Hier ging es aber – für mich offensichtlich – um schnelle Räumung des Arials und somit um Demonstration der Polizeigewalt. Die Feiernden wurden, teils ruhig und friedlich auf dem Boden sitzend, mit Tränengaspatronen beschossen und mit Wasserwerfern getrieben, als wären Technofreunde generell potentielle Gewaltverbrecher mit obligatorischer 9mm im Hosenbund oder könnten sich sitzend selbst entzünden, sobald man sich ihnen nähert.
Natürlich flogen auch von Seiten der Feierleute Steine, Flaschen und Gehölz auf die Einsatzkräfte, was ich aber, angesichts dieser unglaublich bedrohlichen Situation für die (wahrscheinlich) mit Alkohol, Amphetaminen, Halluzinogenen und Musik(!) abgefüllten Menschen, für eine logische Konsequenz halte.
Ein Vorgehen, das geradezu nach Eskalation schreit. Das geht einfach nicht in meinen kleinen Kopf.
Leider fehlt mir jetzt die Quelle, da mir das Zitat per Mail zugeschickt wurde, doch ist der tschechische Premier Paroubek wohl der Meinung, ein Großteil der Technoten wäre zusammengesetzt aus Besessenen mit anarchistischer Neigung und internationalen Verbindungen
. Sie würden alkoholisiert und auf Drogen gewalttätige Demonstrationen provozieren mit dem Ziel, gegen eine friedliebende Gesellschaft vorzugehen.
. Da fasse ich mir ganz ernsthaft an den Kopf.
Wenn es sich so verhält, habe ich die Technoszene wohl in einem schöneren Paralleluniversum kennen gelernt, denn erfahrungsgemäß besteht das Technovolk aus friedfertigen Menschen, die zwar den einen oder anderen Gesetzesbruch in Kauf nehmen, aber keinen Hintergrundgedanken außer feiern, ein wenig stoned sein und wild zu poppen haben. Natürlich nicht stilrichtung-übergreifend; mit einer „Hardcore bitch” (keine Verunglimpfung meinerseits, ein stolz getragener T-Shirt-Spruch) würde ich mich selbstverfreilich niemals anlegen wollen, denn ich mag meine Nase, und über das Feierverhalten von Kirmestechno-Kiddies kann ich schwer mutmaßen.
Aber doch: Großevents mit Feierleuten sind in der Regel unglaublich harmonische Veranstaltungen. Kippt die Stimmung aufgrund einer jähen Beendigung, artet das nicht in kollektiver Gewalt aus. Klar, ein paar Steine fliegen lassende Dösköppe sind immer dabei, wie wohl bei allen Menschenansammlungen. Aber wegen dieser Ausnahmen und ein paar Gesetzesüberschreitungen mit 1000 Mann SEK und Tränengas ein Exempel statuieren?
Egal wie ich es drehe und wende: Ich verstehe es nicht. Ich kann es nicht nachvollziehen. Und schaue fassungslos auf die Bilder.