Es war einmal ein arbeitsloses, tapferes Mediengestalterlein, was sich brav bei etlichen Firmen und staatlichen Einrichtungen bewarb. Dafür erarbeitete das Gestalterlein ein Bewerbungskonzept, was unter dem Motto "Mach es kurz und prägnant, Personaler haben keine Zeit und immer zu viel Papier auf dem Tisch" hätte stehen können – es bewarb sich also mit schicken Flyern im DIN-lang-Format, auf welchem alle Kernkompetenzen, seine Motivation und der berufliche Hintergrund kompakt zusammengefasst zu finden waren. Für weitergehend Interessierte erstellte das Gestalterlein eine umfassende Bewerbungshomepage mit allen Zeugnissen und Prüfungsarbeiten und versah den Flyer mit einem Hinweis darauf.
Schon schnell stellte das Gestalterlein fest, dass es so richtig handelte, denn es erhielt durchweg positives Feedback und lies sich gerne von Entscheidungsträgern warmhalten, auf dass sie einen Arbeitsplatz in Ihrem Unternehmen schaffen und ihm zukünftig Lohn und Brot bescheren würden. Doch schon bald musste das äußerst motivierte Gestalterlein feststellen, dass seine Leistung zwar gefragt war, doch kein Unternehmen sich traute, in neue feste Mitarbeiter zu investieren, und somit auch nicht in die berufliche Zukunft des Gestalterleins. Es ward daher kurz traurig, sann über seine Bestimmung nach, streckte seine Fühler aus, erkannte und ergriff eine neue Chance: Es machte sich selbstständig.
Etliche Monate später – das tapfere Gestalterlein hatte seine unleidliche Bewerbungsphase schon in den Archiven des Langzeitgedächtnisses abgelegt und sieben Siegel davor geschoben – bekam das Gestalterlein Post von einer staatlichen Einrichtung. Es ward schon ganz nervös, da es eine vergessene Rechnung oder eine Strafe wegen zu schnellen Fahrens befürchtete und öffnete mit spitzen, zitternden Fingern den sehr dicken Umschlag aus naturbraunen Papier. Schnell erkannte es am Betreff, dass es sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen, außer einer Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle, welche jedoch „aus dienstlichen Gründen” aufgehoben wurde. Das tapfere Gestalterlein schmunzelte kurz ob dieser doch sehr verspäteten Reaktion auf seine Bewerbung und entdeckte, dass sich der Absender im Auftrage entlasten wolle und die Bewerbungsunterlagen daher zurücksendete.
Das Gestalterlein wunderte sich schon sehr über den beiliegenden, in der Mitte gefalteten Stapel feinsten Ökopapieres, es hatte doch nur einen klitzekleinen Flyer versendet! Somit schlug es den Stapel neugierig auf – und brach stoßkichernd zusammen. Denn was es in seinen Händen hielt, waren Ausdrucke der Bewerbungshomepage des Gestalterleins. Vollständig, fein säuberlich sortiert, gebettet auf fies gelb-bräunlichen Grobpapier.
Und die Moral von der Geschicht? Die Wirtschaft versteht’s, der Staat wohl nicht.