Mittwoch, 16. Mai 2007
Fass übergelaufen
Es ist mir ein Anliegen, ein paar generelle Worte zu meinen persönlichen, teils kryptischen Einträgen hier in diesem Blog zu verlieren. Vorab: Ich weiß nie, wie ihr, meine lieben Leser, diese Einträge lest, wie ihr sie für euch interpretiert, was für ein Eindruck von mir in euren Köpfen entsteht. Was ja eigentlich auch ein Teil des Reizes ist, den Blogs generell ausmachen. Warum das Wort „eigentlich“ am Beginn des Satzes, fragt ihr euch?
Ich will versuchen, es zu erklären: Ab und zu findet sich hier ein Eintrag, der sehr traurig klingen mag, manchmal verzweifelt oder gar hilflos. Wenn ich einen solchen Eintrag veröffentliche, trudeln bei mir recht bald E-Mails ein, manchmal mehr, manchmal weniger, aber allen ist der Tenor gemein: „Hast du schon mal drüber nachgedacht, xy sein zu lassen? … Ich empfehle dir Handlung xy … Falls du reden willst …“.
Als dies vor ca. 1 1/2 Jahren das erste Mal passierte, war ich überrascht und habe mich gefreut wie Bolle über Menschen, die so aufmerksam sind. Jetzt kommt jedoch das Aber, das im Laufe der Zeit riesengroß geworden ist: Einige dieser Menschen, die mir solche E-Mails schreiben, sind mir noch nicht einmal vom Namen her bekannt. Mit Wenigen hatte ich bereits losen Kontakt. Kaum einer kennt mich wirklich persönlich. Was also bedeutet, dass mir teils wildfremde Menschen ihre Hilfe oder ihren Rat anbieten. Das ist grundsätzlich eine tolle Sache – solange diese nette Geste nicht zum Selbstzweck verkommt.
Wenn ich einen persönlich gefärbten Eintrag schreibe, dann mache ich das in erster Linie, weil das Schreiben an sich das Potential hat, vormals wilde Gedanken zu einem schlüssigen Paket zu bündeln. Ich veröffentliche diese Einträge – die lediglich einen Ausriss aus meiner Realität darstellen – weil Persönliches für mich einfach dazugehört, und weil ich wahrnehme, dass es dem Einen oder Anderen etwas sagt oder einfach nur gerne gelesen wird.
Was ich damit sagen will: Ich betreibe dieses Blog nicht, damit Andere mir sagen, was gut oder gar besser für mich wäre. Ergo schreibe ich hier nicht, um Lebenshilfe zu erhalten. Dass ich sie dennoch häufig angeboten bekomme, lässt mich zögern, weiterhin persönlich zu schreiben, erdrückt mich, reduziert mich auf ein kleines, hilfloses Weibchen. Ich fürchte leider, ich muss erwähnen, dass ich das mitnichten bin.
Der Grat zwischen gesendeter Aufmerksamkeit und empfangener Aufdringlichkeit ist verdammt schmal. Versteht mich also nicht falsch – ich freue mich natürlich über Zuspruch oder „Me too“-Kommentare, auch über eine Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema und Kritik an dem, was ich schreibe. Hier ein gesundes Maß an Distanz zu wahren und anmaßendes Verhalten zu vermeiden, stellt in meinen Augen eine Selbstverständlichkeit dar. Dass es das leider nicht ist, habe ich nun zu oft erfahren müssen.
Nun sollte sich nicht Jeder, der mir einmal eine ähnliche E-Mail oder einen ähnlichen Kommentar geschrieben hat, hochexklusiv angesprochen und auf den Schlips getreten fühlen. Wer es dennoch tut, fühle sich bitte hiermit aufgefordert, via E-Mail nachzufragen, bevor ihm der Kamm schwillt.
Vielen Dank für die hochgeschätzte Aufmerksamkeit und weiter mit Musik.
Dienstag, 15. Mai 2007
Hotlinking stinkt. Nicht nur mir.
Seit ich mich damals über gemeinen Traffic-Klau beschwerte und in einem Zuge darüber berichtete, dass ich nun meine Bilder mit einer .htaccess via mod_rewrite schütze, treffen hier regelmäßig google-ratsuchende Menschen ein und verlassen diese Seite keinen Deut schlauer. Dem muss natürlich dringend abgeholfen werden.
Liebe Netzsuchenden, hier ein öffentlichkeitstauglich angepasster Auszug aus meiner .htaccess, die jedes Bild, das auf einer externen Internetpräsenz angezeigt werden soll, gegen ein anderes austauscht – außer bei den Domains, die feedreader-artig unterwegs sind (wie z.B. Bloglines) und natürlich bei der eigenen Website nichts auswechselt (und jetzt maulen Sie mal nicht über diesen googlefütternden Bandwurmsatz, wir sind ja hier nicht beim Schönschreibwettbewerb und irgendwo müssen ja all die Begriffe hin, über die Sie hier hergefunden haben):
RewriteEngine On
#RewriteCond %{HTTP_REFERER} !^$
#RewriteCond %{HTTP_REFERER} !^http://(www\.)?eigene-domain\.de(/.*)?$ [NC]
#RewriteCond %{HTTP_REFERER} !^http://(www\.)?feedreader-domain\.topleveldomain(/.*)?$ [NC]
#RewriteCond %{HTTP_REFERER} !^http://(www\.)?bloglines\.com(/.*)?$ [NC]
#RewriteRule \.(gif|jpg|GIF|JPG|png|PNG)$ http://deine-domain.de/austauschbild.jpg [R,L]
Die Zeile
#RewriteCond %{HTTP_REFERER} !^http://(www\.)?feedreader-domain\.topleveldomain(/.*)?$ [NC]
kann beliebig oft wiederholt werden – für jede Homepage, die man vom Austausch der Bilder ausschließen möchte.
Und nun wünsche ich viel Spaß mit diesen hübsch anzusehenden Zeilen Code!
Übrigens werde ich keinen Support für diesen Codehappen leisten, da fehlt mir einfach die Zeit zu. So ganz allein im Wald möchte ich Sie aber auch nicht stehen lassen: Hier gibt es für weiterführende Fragen eine Menge zu lesen.
Ergänzend (Linktipp von Andy): TrafficKlau.de
Dienstag, 27. März 2007
6 Jahre Mediengestaltung – ein Resüme (7)
Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 | Teil 5 | Teil 6
Kommen wir nun zu Teil 7 und somit zum letzten dieser Serie: Ich war also fertig mit der Ausbildung, hatte den Schein in der Tasche, Zukunftsangst im Bauch und reichlich Bewerbungen verteilt. Und auch bald schon reichlich Absagen in der Hand.
Ich hörte oft so schöne Sätze wie: Bei der aktuellen Wirtschaftslage können wir keinen weiteren Mediengestalter mehr einstellen. Aber ein Praktikum, das könnte ich ihnen anbieten!
Jung, erfolgreich ausgebildet, arbeitslos
Das ist die Krux, die ich generell nicht verstehe: Überall wird nach Ausbildungsstellen geschrien, Ausbildungsstellen, wir brauchen mehr Ausbildungsstellen! Schafft Perspektiven!
– doch eigentlich brauchen wir Jobs. Denn was nützt uns die schönste Ausbildung, in der wir jahrelang einen vollwertigen Teilzeitmitarbeiter ersetzt haben, wenn wir anschließend wieder auf die Suche nach neuen Perspektiven gehen müssen.
Viele meiner Klassenkameraden schlossen direkt nach der Ausbildung ein Studium an, einige kommunizierten offen, dass sie das nur tun würden, um Zeit zu gewinnen, bis „die Wirtschaft sich erholt hat“. Andere gingen direkt in die nächste Ausbildung in einem vollkommen anderen Beruf über. Wenige wurden von ihren Betrieben übernommen oder fanden einen Job als Mediengestalter. Der eine oder andere ließ sich zu einem Praktikum breitschlagen und arbeitete fleißig unentgeltlich. Und wieder einige Andere machten das, wozu sich so viele gezwungen sehen, die in ihrem erlernten Beruf arbeiten und Geld verdienen möchten: Sie wagten den Sprung in die Selbstständigkeit. So auch ich.
Einzelkämpfer
Nach knapp über 2 Monaten Arbeitslosigkeit wollte ich nicht mehr warten, dass jemand „Hier!“ ruft, ergriff die Chance, die ersten 3 Monate einen festen Auftraggeber zu haben, beantragte Existenzgründerzuschuss und machte mich selbstständig. Die Entscheidung fiel, und keine Woche später hatte ich meinen Gewerbeschein in der Hand und die ersten Kunden. Ich muss dazu sagen, dass ich die Selbstständigkeit mehr als gescheut habe; wenn es eines gab, was ich niemals wollte, dann ist es wohl die Selbstständigkeit. Ich wollte einen Arbeitsplatz, der mir mein Leben finanziert, kein Leben, das von meinem Arbeitsplatz geprägt ist. Der Schritt in die vollkommene Eigenverantwortlichkeit fiel mir sehr schwer und hat mich schlaflose Nächte gekostet. Auch heute noch, rund 2 1/2 Jahre später, schaffe ich es auch in meiner Freizeit kaum, den Kopf richtig freizubekommen und verfluche recht häufig den hohen Druck, der nur auf meinem kleinen, überschaubaren Schulterpaar zu liegen kommt.
Einzeln, aber nicht alleine
Als Einzelunternehmung kann ich mir den Luxus eines Büro-Mietobjektes schlichtweg nicht leisten, da müssen schon die eigenen vier Wände herhalten – Home Office, sweet Home Office! Die Vorteile liegen ganz klar auf der Hand: Miet- und Benzinkosten gespart, vollkommen freie Arbeitzeiteinteilung, und so ein warmes Fellchen auf dem Schoß ist gerade bei Zeitdruckarbeit einfach nur Gold wert. Doch die Nachteile sind auch nicht zu vernachlässigen: Die Arbeit ist ganz eng an das Privatleben geknüpft, der Raum um einen herum wird schnell zu eng, man bewegt sich weniger und sieht die Sonne seltener. Anfangs war die Einsamkeit im Speziellen kaum zu ertragen. Es fehlte mir der persönliche Austausch, ein netter Wortwechsel zwischendurch, unbelastete Ideen – die Zusammen-Arbeit mit Menschen. Ich war schon immer gerne Teamplayer und brauchte ein Weilchen, um festzustellen, dass da draußen noch viele andere sind, die alleine in ihrem Kämmerchen hocken, denen der Austausch ebenso fehlt – und daher meist ein Chatfensterchen offen haben. Und so sorgt auch in diesem Bereich das Internet mit seinen Bewohnern für Schmerzminderung und fängt den einsamen Einzelkämpfer in einem kleinen, feinen Netzwerk auf.
Und der Job selber? Wie isses denn so, das Arbeiten als Mediengestalter?
Ich vermute, dass alles, was ich bisher schrieb, darauf schließen lässt, dass ich jetzt auch noch gegen den Job selber wettern werde. Aber nein: Ich habe meinen Beruf mit viel Herzblut und massig Eigeninitiative erlernt, und genau so übe ich ihn jetzt auch aus. Oder besser: das, was ich aus ihm gemacht habe. Ich weiß nicht, ob ich das genau so sehen würde, wenn ich mich nicht selbstständig gemacht hätte und meine fachliche Ausrichtung, mein Angebot so ganz nach meinen Vorlieben gestalten könnte.
Fest steht: Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe, was ich tue. Und das ist nicht unbedingt das, was das Berufsbild des Mediengestalters prägt.
Jungen Menschen, die mit dem Gedanken spielen, ebenfalls diesen Beruf zu erlernen, kann ich nur eines raten: Überlegt es euch gut und vor allem gründlich. Schaut lieber genau hin, ob dieses Berufsbild auch wirklich das bietet, was ihr für eure Zukunft wollt. Verlasst euch nicht blind auf die Zusicherung möglicher Ausbildungsbetriebe, euch kompetent fachlich anleiten zu können. Verlasst euch nicht auf das durch Lehrer vermittelte „Wissen“. Verlasst euch nicht auf die Aussage der Berufsberater, Mediengestalter wäre ein Beruf mit Zukunft – denn die Zukunft eines Mediengestalters ist oft der Kampf um eine Anstellung mit anschließendem Kampf um eine angemessene innerbetriebliche Positionierung mit entsprechender Entlohnung.
Ihr bekommt mit Abschluss der Ausbildung nur einen Schein, der besagt, dass ihr Mediengestalter seid. Welchen Beruf genau ihr dann ausübt, was ihr daraus macht, welchen Stellenwert dieser Schein für euch persönlich hat – das wird sich meist erst später zeigen.
Montag, 26. März 2007
6 Jahre Mediengestaltung – ein Resüme (6)
Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 | Teil 5
Wenn man nach einer langen Ausbildungszeit einmal zur Ruhe gekommen ist, kann es passieren, dass man sich fragt: Und, was mache ich jetzt mit meinem Schein? Oder einmal anders gefragt: Was bin ich jetzt eigentlich?
Jetzt bin ich also Mediengestalter für Digital- und Printmedien – bin ich jetzt auch was?
Per se: Nein. Ich habe Menschen ohne jegliches Gestaltungsgefühl die Ausbildung mit Bravour bestehen sehen. Ich habe Menschen mit fantastischem Gestaltungsgefühl gesehen, die nur mit schlechtestem Notendurchschnitt und absolutem Ach und Krach den Abschluss schafften. Vor allem habe ich aber viele Menschen gesehen, die erst einmal ratlos vor ihrem Leben standen. Denn die Ausbildung ist ein Zuckerschlecken an einem sanften Frühlingsmorgen, gemessen an der Marktpositionierung und am Marktwert eines Mediengestalters. Und der Grund dafür liegt im Beruf selber begraben:
Ein Mediengestalter ist nichts anderes als eine eierlegende Wollmilchsau. Ein Mensch, der viel weiß, aber von nichts wirklich eine Ahnung hat. Wenn man mal ehrlich ist. Was vor allem daran liegt, dass sein Einsatzgebiet direkt aus 4 ehemaligen Ausbildungsberufen zusammengewürfelt wurde: dem Schriftsetzer, dem Reprograf, dem Reprohersteller und dem Werbe- und Medienvorlagenhersteller. Und dann, man lasse es einfach einmal auf der Zungenspitze tänzeln, bearbeitet so ein Gestalterlein vom Namen her auch 2 vollkommen unterschiedliche Wissensfelder: Digitale Medien und Printmedien. Nur die Gewichtung der beiden Felder variiert – je nachdem, ob der Berufsbezeichnung noch ein „print“ oder ein „nonprint“ nachgeschoben wird. Und obwohl schlussendlich nur die Gewichtung variiert, sollte so ein Mediengestalterlein auch über genug wasserdichtes Fachwissen verfügen, beide Arten von Medien kompetent gestalten zu können. Dies ist aber in der Regel nicht der Fall, denn dafür sind beide Hauptbereiche zu komplex für 3 kurze Ausbildungsjahre – alleine aus diesem Grunde kann die Ausbildung zum Mediengestalter nie in eine befriedigende Tiefe gehen.
Ich vergaß fast, dass für eine Vertiefung im Ansatz Folgendes sorgen sollte: Die Unterteilung dieses Ausbildungsberufes in 4 Fachrichtungen (Mediendesign, Medienberatung, Medienoperating und Medientechnik) – doch diese Unterteilung versteht da draußen, in der Wirtschaft, da, wo diese Menschen eventuell gebraucht werden, niemand. Daher lasse ich sie hier der Kürze halber auch unter den Tisch fallen. Im Grunde machen wir alle das Selbe; im Arbeitsleben greifen die Aufgabenbereiche nahtlos ineinander und werden oft von ein und derselben Person bearbeitet: Beratung, Konzeption, Kreativarbeit, Datenaufbereitung und -management, technische Umsetzung, oft auch Projektmanagement, Kostenmanagement, Optimierung des Workflows oder ähnlichen innerbetrieblichen Prozessen. Ich jedenfalls habe noch nie gehört, dass ein Betrieb einen Mediengestalter je Fachrichtung beschäftigt, um alle Aufgabengebiete abgedeckt zu wissen.
Nun, jetzt haben wir den Mediengestalter, unsere halbwissende, eierlegende Wollmilchsau, an der einen, und den Markt an der anderen Hand. Bis der Beruf Mediengestalter aus der Taufe gehoben wurde, gab es eine noch recht ausgeglichene Anzahl an Menschen, die Medienberufe klassisch lernten oder studierten – und vom Markt gebraucht wurden. Das hätte auch durchaus mit der Zusammenlegung der Berufe funktioniert, hätten da nicht einige Institutionen zu engagiert mit dem Berufsbild Mediengestalter das Heil aller, die im Kunstunterricht einmal eine Eins hatten, verkündet. Die zahlreichen Berufsberater dieses Landes waren allzu versessen auf den Hype, den das Internetz und die neuen Medien heraufbeschworen und schickten unzählige junge Menschen in einen Ausbildungsberuf, den sie selber nicht verstanden hatten.
Und so war mit dem ersten Rutsch fertig ausgebildeter Mediengestalter der Marktbedarf hier im Köln/Bonner Raum gedeckt. Satt, geradezu fett war der Markt, und man hörte immer wieder, dass XY sich selbstständig gemacht hätte, weil er keine Arbeit gefunden hat, die auch nur ansatzweise angemessen bezahlt wird. Die Preisschraube für Mediengestalter ging immer weiter runter, und ich könnte Geschichten erzählen von Menschen, die einen fantastischen Job machen und maßgeblich zum Erfolg ihres Arbeitgebers beitragen – und trotzdem neidisch auf das Gehalt von Fachkräften für Abfallwirtschaft schielen müssen.
So saß auch ich mit einem illustren Grüppchen Klassenkameradinnen beim Arbeitsamt und starrte Löcher in meine Zukunftssuppe. Denn der Arbeitsmarkt brauchte uns nicht, keiner schrie „Hier, wir wollen dich!“, weil du einen ach so trendigen Beruf erlernt hast. Einen trendigen Beruf, der im Grunde nur eine große Wasserblase ist.
Freitag, 23. März 2007
6 Jahre Mediengestaltung – ein Resüme (5)
Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4
Zu der Ausbildung zum Mediengestalter gehören 2 Komponenten: Die betriebliche Ausbildung und die schulische. Wie ich bereits schilderte, war meine betriebliche Ausbildung ein Fiasko. Die Schulische war, abgesehen vom schlichtweg fehlenden Druck, keinen Deut besser. Warum, schildere ich in diesem Teil.
Die Schulische Ausbildung zum Mediengestalter:
Ein schlimmes Wort vorweg, dann hab ichs endlich von der Zunge und werde den pelzigen Geschmack hoffentlich schnell los: Halbwissen.
Halbwissen ist das, was ich im schulischen Teil der Ausbildung vermittelt bekommen habe. Und wie wir ja alle wissen, ist Halbwissen vor allem eins: gefährlich.
Und ja, ich meine es so, wie ich es schreibe, gehe direkt über Los und schmeiße keine Münze ins Phrasenschwein: Wenn der HTML-Unterricht damit beginnt, das Font-Tag vorzustellen, dann ist das gefährlich für einen Azubi, der später in einer Agentur durch die Probezeit muss. Wenn über 2 Monate hinweg ein im Grunde so simples Thema wie Colormanagement in gleich 2 Fächern von 2 unterschiedlichen Lehrern mit 2 unterschiedlichen Meinungen unterrichtet wird, dann ist das gefährlich für einen Azubi, der bei der Abschlussprüfung eine fast unüberschaubare Anzahl von Themen klar und deutlich im Kopf haben muss. Wenn fast 3 Monate lang digitale Stand- und Bewegtbilddatenvolumen mittels zu paukender Formeln berechnet werden müssen und diese Berechnungen niemals mit der Praxis in Einklang gebracht werden, dann ist das gefährlich für einen Azubi, der Angst vor Mathematik hat und sein guter Notendurchschnitt durch die unverhältnismäßige Gewichtung der Klausuren im Jahresmittel deutlich absinkt. Wenn rund 50% des Unterrichts daraus besteht, dass Schülergruppen Referate zu Themen halten, die sie selbst erarbeiten mussten und nicht durch den Lehrer inhaltlich kontrolliert oder gar begleitet wurden, dann ist das gefährlich für die ganze Klasse, die etwas als Fakt mitnimmt, was schlichtweg falsch ist.
Meine Beobachtungen haben ergeben, dass die Lehrer auf meiner Berufsschule, dem Heinrich Hertz Berufskolleg der Stadt Bonn, vor allem unmotiviert waren. Einige von Ihnen hatten keine pädagogische Vorbildung und waren den Klassen lauter, aufmüpfiger Jugendlicher und junger Erwachsener, die allesamt alleine durch ihren Betrieb die Schnauze gestrichen voll hatten, geradezu hilflos ausgeliefert. Wir sahen neue, motivierte Lehrer kommen und konnten fast dabei zuschauen, wie sie sich in dem Sumpf von wilden Klassen und fast stündlich wechselnden Anforderungen verloren. Eines hatten sie alle, bis auf eine Lehrerin, gemein: Sie gingen den Weg des geringsten Widerstandes und hielten ihr Herzblut vollkommen aus ihrer Arbeit heraus. Da wurden Kopien während der Unterrichtszeit gemacht, Klausuren monatelang nicht korrigiert und das Engagement mancher Schüler, den Unterricht zu verbessern und den Willen zum Lernen zu beweisen, am langen Arm aushungern lassen.
Das Verhalten der Lehrer war psychologisch gesehen zwar recht interessant, aber in erster Linie einfach nur menschlich und nachvollziehbar und wird sicher auch von Schule zu Schule differieren – also noch mal zurück zu den vermittelten Inhalten. Davon einmal abgesehen, dass der Fokus besonders ausgiebig auf recht nebensächliche Themen gelegt wurde, die den realen Berufsalltag eines Mediengestalters nicht gerade häufig kreuzen: die meisten wiesen Lücken auf, passten nicht zueinander oder waren ganz simpel unverständlich geschildert. Hinzu kommt, dass selbst Bücher in Detailfragen nicht verlässlich zur Hilfe genommen werden konnten, weil sie sich vielfach widersprachen. So sitzt man da bis kurz vor der Abschlussprüfung, mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf, gekleidet in Unsicherheit, und wiegt sich sanft in der Hoffnung, dass gerade zu diesen Themen keine Fragen gestellt werden, wenn der Abschlussprüfungsbogen schlussendlich vor der eigenen Nase liegt.
Abschließend bleibt noch zu sagen, dass mein Jahrgang der Erste war, der an dieser Schule unterrichtet wurde. Ich neige trotzdem nicht dazu, Hoffnung für die Zukunft oder andere Schulen zu kommunizieren: Schon damals erfuhr ich von Bekannten, dass es an anderen Schulen nicht besser war – und wie ich heute noch regelmäßig höre, ist die Kernproblematik „Halbwissen“ immer noch akut präsent.
Donnerstag, 22. März 2007
6 Jahre Mediengestaltung – ein Resüme (4)
Nun haben wir 2 ganze Ausbildungsjahre Ausbildung hinter uns und kommen zum Endspurt. Die großen Unsäglichkeiten sind über uns gekommen und nun verlagern wir unsere Kampfschauplätze ein wenig.
Betriebliche Ausbildung zum Mediengestalter – das dritte Jahr:
Im zweiten Ausbildungsjahr hatte ich ja noch gehofft, dass meine „Ausbilderin“ nach einer angemessenen Babypause zurückkehren würde, zumindest Teilzeit, den kleinen Wurm hätte sie ja wunderbar mitbringen können, und hey! – es war ihre Agentur, die ich da am Leben hielt. Doch diese Hoffnung wurde ebenfalls enttäuscht, denn sie arbeitete von nun an 4 Tage die Woche bei einem Kunden vor Ort. Der fünfte Tag der Woche gehörte somit mir – in Form des üblichen Stundenzettelterrors inklusive ausgiebigen Wochenbericht und – da es ja der Freitag, somit der Putztag und nur noch ein weiterer Azubi vorhanden war – Entleeren der Mülleimer und Entfernung von Staub. Da war keine Zeit, Arbeit zu teilen. Doch darauf war ich mittlerweile durchaus eingestellt und dachte nur noch fast mantra-artig daran, dass das alles bald ein Ende haben wird.
Da ich immer noch alle Funktionen innehatte, die man in einer Agentur innehaben kann, war ich natürlich höchst beschäftigt. Es gab zu realisierende Aufträge und zu beratende Kunden, ich akquirierte erfolgreich kalt und kämpfte mit dem unzuverlässigen Praktikanten. Doch langsam zeichnete sich die Abschlussprüfung am Horizont ab – da musste das ganze selbst antrainierte Wissen ja nochmal gründlich durchgepaukt werden, um auch schön fest zu sitzen. Alle anderen Azubis waren zwischendurch immer mal wieder für halbe oder gar ganze Tage zur gründlichen Vorbereitung von der Arbeit befreit worden – mir wurde auf meine Nachfrage hin entrüstet mitgeteilt, dass ich unabkömmlich wäre und mir dazu ja meine Freizeit zur Verfügung stünde. Was, wenn man es aus Kapazitätsgesichtspunkten der Agentur betrachtet, auch vollkommen plausibel war.
Als dann die Abschlussprüfung stattfand, erkämpfte ich mir die Zeit zur Umsetzung der innerbetrieblich zu bearbeitenden Prüfungsaufgaben regelrecht – der Fairness halber muss ich aber sagen, dass ich schlussendlich zumindest von allen Aufgaben, abgesehen von laufenden Kundenprojekten, befreit wurde. Dass meine Abschlussprüfung seitens des Betriebes nicht ordentlich vorbereitet war und ich aufgrund dessen bei der letzten praktischen Prüfung plötzlich Printler-Aufgaben zu lösen hatte, für die noch nicht einmal technisches Gerät bereitstand, war da natürlich das i-Tüpfelchen. Dass ich es wieder war, die während der 4 Stunden Umsetzungszeit vollkommen aufgelöst den Telefondraht zur IHK heißlaufen ließ, um mir eine andere Aufgabe, die mit den vorhandenen Mitteln zu lösen war, regelrecht zu erbetteln … dass die Domfrau während ihrer eigenen schmalen Prüfungszeit mit mir telefonierte, um mich zu beruhigen und mir ein bisschen Vertrauen darin, dass ich diese Prüfung trotz allem bestehen würde, zu geben … dass mein Poschist es war, der mir den Arsch rettete, indem er mir den benötigten Ausdruck der Arbeit auf den letzten Drücker zuspielte, nur weil der einzige Farbdrucker vor Ort streikte … das erwähne ich nur einmal am Rande.
Mit Bestehen der Abschlussprüfung ging dann alles recht schnell – ich verabschiedete mich von den wenigen mir lieb gewordenen Mitarbeitern mit einem weinenden Auge, lachte ein „Tschüss“ in die Gesichter der Menschen, die mir das Leben dort noch weiter unnötig erschwert haben (und die ich in dieser Schilderung unter den Tisch fallen ließ, um nicht direkt ein ganzes Buch schreiben zu müssen), drehte mich um und ging ein letztes Mal den Weg hinauf, zur Hauptstraße. Ich habe mich weder umgedreht, noch bin ich je dorthin wiedergekehrt.
Auch heute noch bin ich unversöhnlich über den Grad der schamlosen Ausnutzung meiner Arbeitskraft und dem verantwortungslosen Umgang mit mir. Im Austausch mit Klassenkameraden war jedoch zu erfahren, dass kaum jemand im Betrieb etwas beigebracht bekam, was ihn fachlich wirklich weitergebracht hätte. Dass alle schon nach kurzer Zeit eine reguläre Teilzeitstelle hätten besetzen können und dass kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse eines Azubis genommen wurde.
Meine Ausbildung ist somit sicherlich ein Sahnestück an Negativbeispiel, doch es wäre ganz klar gelogen, würde man behaupten, sie wäre ein Sonderfall.
« vorherige Seite (Seite 2 von 9, insgesamt 52 Einträge) » nächste Seite