Mittwoch, 30. Mai 2007
Oh my.
Sagt mal, was ist denn da bitte drüben in Osteuropa los? Da wird mir ja ganz fürchterlich kalt ums Herz …
Montag, 7. Mai 2007
Grüße vom Feldrand
Ich kann mich fast gar nicht mehr daran erinnern, mich das letzte Mal so sehr zu Hause gefühlt zu haben. Es muss um die 15 Jahre her sein, dass ich fort musste, fort von dem Ort, an dem mein Herz ruhte. Es folgten 4 zu bewohnende Mietobjekte, 3 davon in der Stadt gelegen, alle begleitet von einem tiefen „Hier gehörst du nicht hin“-Gefühl und warmer Sehnsucht nach Grün im Bauch.
Dann, im Sommer 2004, begann die Suche nach einem neuen Ort, einem Ort zum Wohnen, zum Arbeiten, zum Wohlfühlen und Durchatmen. Wir haben nicht lange gesucht. Die 83 Quadratmeter, die wir heute bewohnen, die ich ganzherzlich mein zu Hause nenne, fanden wir in Troisdorf. Genauer: Troisdorf Bergheim. Noch genauer: Am Feldrand.
Ich weiß noch, dass mein Herz Zustimmung pochte, noch bevor ich nur einen Fuß in das 8-Parteien-Wohnhaus setzte. Es geriet in helle Aufregung wegen der das Haus umsäumenden Gegend: Da waren sie, die lang ersehnten Weiten, das kräftige Grün, die kleinen Straßen, die wilden Hecken. Dass die Wohnung selber auch noch zu unseren Bedürfnissen passte, als wäre sie geradezu für uns gebaut worden, löste ein wahres Freudengewitter in uns aus. Hier wollten wir fortan nicht nur unsere PCs aufstellen und Körper zur Nachtruhe betten, sondern unsere Beine ausstrecken, keinen Karton unausgepackt lassen und leben.
Seither genieße ich jeden Tag den Weg zum Eingang ums Haus herum, an einem kleinen, brachliegenden Feld vorbei, auf eine riesige Fläche Ackerland zu. Meine Seele baumelt beim Anblick dieser Grünfläche, in der so viel Leben ist. Dieses Stück heile Welt, das mich umgibt und mich spüren lässt, dass ich neben meiner sterilen Arbeit am PC immer noch ständig mit der Natur verbunden bin.
Nie werde ich den Moment vergessen, als wir aus dem Haus traten und der Poschist wie angewurzelt stehenblieb, da vor seinen Füßen ein in dem kleinen Wäldchen rechts gegenüber mit seiner Henne nistender Fasanenhahn ebenfalls wie angewurzelt innehielt, die beiden Mannsbilder einander tief in die Augen schauten, um nur eine Sekunde später mit lautem Getöse voneinander zu weichen.
Überhaupt, Vögel: Hier bekommt man noch viele Arten zu Gesicht, deren Namen ich nicht mehr weiß, weil sie mir in der Stadt nicht mehr begegneten. Auch wenn ich ihre Namen nicht kenne, ich halte inne bei ihrem Anblick, ich erfreue mich an ihrem Gesang, ich lache über die Kapriolen, die sie über meiner Terrasse nur für mich zu schlagen scheinen. Und ich freue mich, dass es direkt hinter dem Haus, in dem wir leben, gleich mehrere kleine Schutzgebiete zwischen den Ackerflächen für sie gibt. Dort können sie in der Ruhe nisten, die auch ich genieße, wenn ich die eine oder andere Stunde auf meiner kleinen Außenanlage verbringe. Gut, seitdem das ökologisch recht bedacht angelegte Neubaugebiet nebenan fertiggestellt und voller Menschen ist, ist es nicht mehr ganz so beschaulich hier, an meiner Ecke Bergheims – aber es bleiben mir viele Momente, in denen ich meinem eigenen Herzschlag zuhören kann, weil der Wind alleine nicht laut genug weht, um ihn zu übertönen.
Für mich bleibt somit unterm Strich eine extra-große Portion Wohlgefühl und innige Liebe zu dem Grün, das mich umgibt. So innig, dass ich gar Geschäftsbriefe mit Grüßen vom Feldrand signiere. Oh ja – ich liebe mein zu Hause, meine Heimat, meinen Feldrand – von ganzem Herzen und solange ich kann.
Solange ich kann … das ist nun keine schwerlich zu bemessene Zeitspanne mehr. Denn vor dem Wäldchen rechts gegenüber, nur 100 Meter Luftlinie von dem Schreibtisch entfernt, an dem ich jetzt diese Zeilen tippe, will die Rewe Handelskette einen großzügig bemessenen Supermarkt bauen.
Dienstag, 20. März 2007
Für unser Amüsement
Die Bilder der Braunbärin, die wohl nach erfolgreicher Einfang-Jagd gemacht worden sind, also die, wo sie so im Zirkustransportkäfig auf der Stelle hüpft, wisst ihr, also diese Bilder … die tun mir in der Seele weh. Da, wo es ganz tief sitzt und bohrt und Alpträume macht, so wie diese eine Kuh aus dieser einen Reportage Mitte der 90er, diese Kuh, die auf gebrochenen Läufen weiterlaufen musste und dann auch noch mit einem Bein am Kran hing, diese Kuh, deren schwarze Augen mich heute noch verfolgen.
Es ist so entwürdigend. Dieses ehemals stolze, heute offensichtlich verhaltensgestörte Tier übt in unseren Landen Kunststückchen für unser Amüsement aus. Schon seit Jahren verspüre ich akuten Brechreiz, wenn ich einen Zirkus in meiner Nähe wahrnehme, der es für notwendig befindet, Tiere zu halten. Besonders schlimm wird es immer dann, wenn es Wildtiere sind – da mag ich um mich schlagen, mit den Füßen aufstampfen und ganze Gallonen Magensäure speien. So ein Wildtier ist nicht einfach dressierbar. Um so ein Tier für die Manege „fit zu machen“ muss in der Regel sein Wille gebrochen und reichlich Gewalt angewendet werden. Von seinen täglichen Lebensbedingungen, die so weit entfernt sind von artgerechter Haltung wie San José von Buschhoven, einmal ganz abgesehen.
Das ist Quälerei. Das ist anmaßend. Das ist so sehr Mensch, dass ich schreien möchte.
Dienstag, 21. November 2006
Ach so! Der Amokläufer hat Counterstrike gespielt!
Bereits gestern hörte ich es im Unterton des Nachrichtensprechers. Heute ist es schon ganz klar kommuniziertes Thema: „Der Amokläufer von Emsdetten hat Counterstrike gespielt! Wir müssen Ego-Shooter bekämpfen!“
Natürlich ist es nicht nur einfach, sondern leicht, ein Computerspiel für den Amoklauf eines Jugendlichen verantwortlich zu machen. Es ist nicht nur einfach, nicht nur leicht, sondern auch unglaublich bequem. Wesentlich unbequemer als das Hinterfragen von Eltern, Verwandten, Freunden, Mitschülern, Lehrern, Behörden, Medien im Allgemeinen oder – einmal den ganz großen Bogen – der Gesellschaft, in der Jugendliche heute aufwachsen müssen.
Nur nebenbei werden die im Ansatz richtigen Fragen gestellt: Wie kam es dazu, dass der junge Mann vereinsamte und verrohte? Warum hat sich niemand verantwortlich gefühlt, auf den stillen Jungen zuzugehen und auf lange Sicht zu versuchen, das Schweigen zu brechen, zu erfahren, was in seinem Kopf vorgeht? Warum wurde sein Hilferuf im Internet, in dem er sein Vorhaben ganz klar thematisierte, nicht ernst genug genommen? Wie kann es sein, dass sich der Junge wegen illegalen Waffenbesitzes vor Gericht verantworten sollte und trotzdem noch über scharfe Waffen und Munition verfügt?
Mir geht es hier nicht um Schuldzuweisungen. Es geht mir um die vielfachen Gründe für so eine Tat, die weiter, wesentlich weiter gehen als ein dumpf suggeriertes „Counterstrike ist schuld“.
Ein im Grunde seelisch gefestigtes Kind kommt nicht aufgrund eines PC-Spieles auf die Idee, echte Menschen zu töten. Es gewinnt auch die Energie zur Durchführung einer solchen Tat nicht aus virtuellen Szenarien.
Ich habe bereits etliche junge Menschen, die Ego-Shooter spielen, kennen gelernt – da war kein einziger dabei, der aufgrund des Spiels keines sozialen Kontaktes mehr fähig war und in Hassgefühlswelten lebte. Counterstrike ist im Fall des Emsdettener Amoklaufes höchstens ein Symptom des Krankheitsbildes.
Dies zu ignorieren und sich auf ein Spiel zu versteifen ist gefährlich und schmeckt für mich nach Verblendung und bewusster Vermeidungshaltung. Ich käme ja fast auf die Idee, dass der Eine oder Andere, der jetzt laut „Verbot! Verbot!“ schreit, geradezu glücklich ist, dass der in meinen Augen bemitleidenswerte junge Mann dem Klischee entsprach, am PC menschlich geformte Bits und Bytes tötete und somit einen bequem zu kommunizierenden Ansatz lieferte, dass man umgehend zur Tat schreitet, um solche Amokläufe zukünftig zu vermeiden. Weil die einzig sinnvolle Alternative doch viel zu weitgreifend wäre.
Es ist ja sowasvon zum kotzen.
Nachtrag: In Marcels Parteibuch kann man den Abschiedsbrief von Bastian B. lesen. Und bei Gulli so einiges über die unfassbar gründliche Zensur, die zur Zeit durchgeführt wird, um seine Spuren zu tilgen. (via Christian)
Montag, 28. August 2006
Bombenspürhunde 2.0
Ich kann die ganze Aufregung um den Vorschlag, Hartz-IV-Empfänger als unbewaffnete Sicherheitspatrouille einzusetzen, überhaupt nicht nachvollziehen. Mensch, ist doch prima! Das ist zwar keine Arbeit, aber doch immerhin eine Aufgabe – und eine sinnvolle noch dazu. Da kommt das ganze faule Pack endlich mal wieder ans Tageslicht und kann dem brav steuerkassenfüllenden Volk den Weg zur Arbeit absichern. Davon leben die ja schließlich, von der Arbeit der anderen. Also immer schön erschnüffeln, ob vielleicht ein Rucksäckli mit einem Bömbli in den hintersten Sitzreihen eines Busses liegengeblieben ist, bärtige Männer im ICE von Frankfurt nach Berlin observieren und genau hinschauen, ob die Limo auch wirklich Limo ist, oder vielleicht doch die Grundsubstanz zur Sprengung des Zuges. Find ich gut. Das ist Hartz IV, meine Damen und Herren, konsequent weitergedacht, da hamma doch alle was von!
Vorbei die Zeiten, in denen sich Langzeitarbeitslose den lieben langen Tag auf der Couch lümmelten, vorbei das rosige Freizeitleben mit Florida-Urlaub, vorbei das Herumdrücken um die gesellschaftliche Verantwortung – hier werden Nägel mit Köppen gemacht, etwas für das Allgemeinwohl getan, der böse gesichtslose Feind mit lebend Menschengut an seinem desaströsen Tun gehindert. Das besondere Bonbon daran: Sollte etwas schief gehen und ein Mitglied des Sicherheitspersonals einmal seine Nase verantwortungsmotiviert zu tief in so ein Rucksäckli halten und dabei in 1000 Teile zerfetzt werden, dann hamma einen weniger, für den die Allgemeinheit seine wohlverdienten Euronen abdrücken muss. Und besonders praktisch: Wir müssen uns auch keine Sorgen machen, dass uns auf diesem Wege die Sicherheitskräfte ausgehen, genug faules Gesindel zum Nachrücken hamma ja in diesem unseren, wunderschönen Lande.
Ein Hoch auf das Allgemeinwohl, ein Hoch auf das Land der Ideen, ein Hoch auf Tiefensee!
Dienstag, 27. Juni 2006
Problem( )mensch
Als ich gestern hörte, dass ein fleißiger Jäger Bruno, den wilden Braunbären, erschossen und zu einem leblosen Stück Fleisch gemacht hat, da kullerten bei mir die Tränen. Ich habe aber nicht nur um Bruno geweint. Einige Tränen galten auch der Menschheit, die den Respekt vor anderen Lebewesen nicht mehr kennt. Diese Art von Respekt, die nicht nur Rücksichtnahme, sondern auch bewusst Einschränkungen und Unsicherheiten in Kauf nimmt. Ehrlichen Respekt.
Es bohrt und nagt in mir, dass behauptet wird, man hätte den Bären nicht fangen, nicht betäuben können. Überall auf der Welt werden Bären umgesiedelt, in extra dafür konzipierten Fallen gefangen, betäubt und von A nach B transportiert. Alles nur eine Frage der Geduld. Geduld, die die Handelnden aufgrund einiger toter Schafe und einer unkalkulierbaren Gefahr für den Menschen nicht aufbringen konnten – oder gar nicht aufbringen wollten.
Davon abgesehen gehört der Braunbär genau dahin, wo Bruno aufgetaucht ist. Meiner Meinung, meiner Ethik nach, hat er das Recht dort zu leben, wo schon vor hunderten von Jahren Braunbären lebten, noch bevor sich der Mensch, das große, schlaue Tier, dort ansiedelte. Und ja, ich meine ganz fest, dass der Bär dieses Recht ebenfalls dann hat, wenn er unsere Sicherheit und die unserer Nutz- und Liebhabtiere gefährdet.
Noch kürzlich bestaunten der Poschist und ich einen wundervollen, riesengroßen Raubvogel, wie er seine Runden über das Feld hinter unserem Haus drehte und nach Nahrung Ausschau hielt. Wir bewunderten die anmutige Kraft der Flügelschläge, das sanfte, fast spielerische Gleiten und dachten laut darüber nach, ob der Vogel da wohl groß genug wäre, unsere kleine Siamdame Phoebe zu reißen und hinfortzutragen, um sie an seine Jungen zu verfüttern. Wir wissen nicht, ob der Greifvogel dazu wirklich in der Lage wäre. Wir wissen aber, dass Nichts und Niemand uns das Recht geben kann, an diesem Vogel, würde er eines unserer geliebten Tiere reißen, Rache und Prävention zu üben. Denn wir sind diejenigen, die in seinen Lebensraum eingedrungen sind, dort Häuser bauten, Felder bestellten und Asphaltlücken schlugen, wir sind diejenigen, die seine natürlichen Beutetiere verdrängten, wir sind diejenigen, die neue Tiere mitbrachten, die als Beuteersatz dienen können. Wir müssen mit den Konsequenzen leben, die wir uns selber geschaffen haben.
Die Arroganz, mit der wir unsere Flora und Fauna behandeln, schnürt mir die Kehle zu. Natürlich ist das zumindest teilweise doppelmoralisch: ich esse Fleisch, achte nicht bei jedem Produkt auf seine Herkunft und genieße den Lebensstandard, den wir schlussendlich von der Natur abgegraben haben. Meine eigene Doppelmoral schnürt mir ebenso die Kehle zu, und es ist oft nicht einfach, meine Werte vor mir selber zu vertreten. Aber ich versuche, mich in Demut zu üben, auch in Demut vor den Geschöpfen, die uns gefährlich werden können und trotzdem das Recht auf Leben in ihrem angestammten Lebensraum haben. Wenn ich dann Sätze lese wie nun ihr lieben gutmenschen, eure schafe hat er nicht gerissen!
, wenn ich höre, dass Bruno jetzt ausgestopft werden und in einem „Mensch und Natur“-Museum als kuscheliges Anschauungsmaterial dienen soll, kann ich für mich nur feststellen, dass wir uns auf dem hohen Ross der Menschheit krumme Beine gesessen haben.
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