Donnerstag, 7. Juli 2005
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Als ich grade aus der Türe dieser wunderbaren Frau trat, der Regen langsam begann den Asphalt zu tränken und der Boden diesen eigenen, herben Duft verströmte, da fühlte ich mich auf einmal ganz herrlich klein.
Dienstag, 5. Juli 2005
Platz mit Haken

Die Siegburger Straßenmeisterei-Mitarbeiter wissen, wie man dem Verkehrssünder den Durchblick im Schilderwald ein wenig erleichtert. Mit Humor. Ich bin platt.
Angesichts des netten Schildes müsste ich eigentlich meine Klugscheißerei im Zaum halten können und kommentarfrei über das plenken hinwegsehen. Es ist jetzt nur so gemütlich in meiner Haut, da mag ich grad nicht raus. Man möge bitte Nachsicht walten lassen.
Montag, 4. Juli 2005
Apropos Überreizung
Es ist ja nicht nur dieses „Allzeit bereit“-Verhalten, es ist auch das mediale Umfeld, das die Überreizung stetig füttert, die Realität aufbläst.
Film und Fernsehen sind so brillant, die Farben zu kräftig, der Ton zu dicht, das Bild zu schnell, die Auswahl zu groß. Diese künstliche Brillanz, deren Existenz uns die Flimmerkiste vorgibt, lässt das Leben – die echte Sicht – farblos, fast grau erscheinen.
Übertriebene Bildbearbeitungglättung schafft ein neues, nicht erreichbares Idealbild einer weiblichen Figur, machen aus normaler Hautstruktur eine beheulenswerte Cellulitis und aus Lachfältchen ein Gesichtsfiakso.
Ich frage mich, wohin wir uns damit noch selber schrauben.
Mir blieben als Kind noch brillant-bearbeitete Abbildungen erspart, ich habe da gerade noch normale Konterfeis und realitätsnähere Welten anhimmeln können. Trotzdem seufze ich heute innerlich beim Anblick einer hüftlosen FHM-Barbie und schaue leicht frustriert auf mein Spiegelbild.
Was ist aber mit den Mädels und Jungs, die jetzt auf der Suche nach Vorbildern sind und nur vermeintlich Perfektes serviert bekommen? Wie hoch wird da der Grad deren eigenen gefühlten Unzulänglichkeit sein? Oder können die noch hinter die Illusion blicken? Das wünsch ich ihnen von ganzem Herzen.
Weiter geht’s mit den Nachrichten: immer schneller, brutaler, sensationeller. Natürlich nicht nur die Nachricht an sich, sondern auch das dazugehörige Bild.
Ich muss keine schreiende, blutende Frau sehen, die versucht ihr Kind aus der Feuerzone zu ziehen, um zu wissen, wie unfassbar schlimm ein Krieg sein kann. Ich muss nicht sehen, wie ein Mann von den Fluten mitgerissen und an einer Brücke zerquetscht wird, um zu erfassen, wie verheerend eine Flut sein kann. Ich muss auch nicht sehen, wie ein Elefant totgeschlagen wird, um zu verstehen, dass einem Tier unglaubliches Leid angetan wird.
Solche Bilder werden ohne Vorwarnung zu Tageszeiten einfach gesendet, ungeachtet dessen, dass vielleicht Kinder (zwar liegt die Verantwortung hierfür in erster Linie bei den Eltern, nur können die auch nicht immer zur Stelle sein, somit liegt das durchaus im Verantwortungsbereich der Sender) oder feinfühligere Menschen vor dem Fernseher sitzen. Mit der Zeit stellte sich bei mir eine Verrohung ein, der Entschluss, nicht mehr bei jedem Leiden mitweinen zu wollen, ließ mich ein wenig erkalten. Heute kann ich 5 Minuten nach dem Schock, den mir solche Bilder zufügen, wieder lustig Witze reißen und könnte mich dafür selber ohrfeigen.
Was ist aber mit den Kindern, die mit solchen Bildern aufwachsen? Wird so nicht Gewalt und Leid zu etwas Alltäglichem? Sind die Kids, die sich selber begeistert dabei filmen wie sie Passanten grundlos vermöbeln, schon ein Resultat aus dieser Verrohung? Diese Entwicklung macht mir Angst.
Von der Gewalt zur Sexualität in Wort und Bild: Einige Komödianten und mittlerweile auch Moderatoren scheinen sich ein Wettrennen im Gebrauch von Wörtern wie „ficken” zu liefern, überbieten sich gegenseitig im Einsatz von Fäkalsprache. Nicht, dass ich da ein Engelchen wäre, aus meinem Munde entweichen schon des öfteren derbe Worte. Weil sie für mich ein Ventil sind, nicht um ihrer selbst willen. Und das ist der Eindruck, den ich von im-Fernsehen-Sprechenden habe: Ficken sagen auf Teufel komm raus. Weil man das ja jetzt so macht, weil „Scheiße” ja schon lächerlich normal ist.
Letztens, bei Galileo (ein Format, dass ich etwas ältere Kinder, hätte ich welche, durchaus hätte schauen lassen), fühlte ich mich doch bei meiner vorabendlichen Nahrungsaufnahme ein wenig gestört. Da musste unbedingt getestet werden, ob der männliche Puls angesichts eines heißen Fräuleins ebenso steigt, wie der männliche Puls während eines Jogginglaufes. Einmal ganz abgesehen, dass ich den Sinn dieser Messung aufgrund des Vergleiches schon als abwegig empfand, brachte mich das Fräulein geradezu auf die Palme. Bekleidet mit einem kleinen String und brustwarzenbedeckenden Klebestreifchen tanzte sie an der Stange was das Zeug hielt. Die Kamerafahrt erkundete ihren Körper als wäre sie ein Blick. War ganz nah an ihren leicht geöffneten Lippen und spielte mit ihr. Zu viel. Zu viel, um im Vorabendprogramm gesendet zu werden. Da kann man mich ruhig für altmodisch halten, aber mich lässt sowas sauer aufstoßen. Ich mag einfach nicht unerwartet während meines Salatgenusses zwischen fremde Frauenbeine gucken.
Ohne das jetzt vollständig auszuführen: manchmal wünsche ich mir eine Art Resetknopf für die Menschheit. Diese Spirale der Überreizung an jeder Ecke zu beenden. Zurück zu den 50ern, mit dem Wissen von heute, es nicht wieder so weit kommen lassen. Wie absurd.
Heute: serotonic formt sich selbst.
Wieder liegt ein komplett rechnerfreies Wochenende hinter mir. An dieser Stelle möchte ich meine neu erworbene Disziplin zur Privatlebenerhaltung eigenloben. Ich muss mich auch in Zukunft deutlich mehr zwingen, zu normalen Feierabendzeiten den Rechner runterzufahren, die Kunden einfach Kunden und das Internetz Internetz sein zu lassen. Ich habe mir nicht gut getan in den letzten Jahren.
Auch wenn zur Abendszeit meist Dinge privater Natur über den Bildschirm zogen, ich klickte doch immer wieder in das eine Projekt rein, machte mir für ein anderes noch ein paar Usabilitygedanken oder beantwortete Kundenmails. Alles immer huschhusch, nebenbei, zwischendurch. So hatte ich immer das Gefühl, nie wirklich Feierabend oder gar ein Wochenende zu haben und war absolut überreizt. Schon letzten beiden Wochenenden haben die Batterie merklich angefüllt: so unbeschwert habe ich mich lange nicht gefühlt.
Daran möchte ich festhalten; mir abgewöhnen, immer auf dem Sprung zu sein. „Allzeit bereit” mag vielleicht ein schön klingendes Motto sein, ist es aber erstmal in Fleisch und Blut übergegangen mutiert es zu einem hohen Unzufriedenheitsfaktor.
Um diesem Umbruch auch in meiner Arbeitsumgebung Ausdruck zu verleihen und einen ungünstigen, mich ins Dunkel zwingenden Lichteinfall auf die Bildschirme auszumerzen, wurde am Sonntag das Büro leergeräumt, aussortiert und umgestellt. Der Schreibtisch hat ein neues Plätzchen unter der Schräge gefunden; insgesamt wirkt der Raum wesentlich harmonischer. Jetzt sitze ich zwar mit dem Rücken zur Tür, aber dafür nicht mehr im Zwangsdunkeln. Der Rücken zur Tür fühlt sich noch sehr ungewohnt an und kribbelt ein wenig zwischen den Schultern (ich bin ein ausgeprägter „Rücken-zur-Wand-Blick-zur-Tür”-Mensch), da ich aber hier zu Hause bin gehe ich davon aus, dass das Unwohlsein nur eine Frage der Gewöhnung ist.
Ab jetzt heißt es: Eins nach dem Anderen (und 2€ für’s Phrasenschwein, ich hoffe das deckt den ganzen Eintrag). Nicht immer direkt schauen, was das für eine E-Mail ist, sondern auch mal einen Satz oder gar einen Artikel zu Ende lesen. Regelmäßig Feierabend ohne Schlupfloch machen. Der Überreizung Einhalt gebieten und die Ruhe erlernen.
Ich freu mich drauf!
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