Freitag, 14. November 2008
Wie ich mir zum Thema „Making life easy!“ eine blutige Verständnislippe holte.
[Egal was ich gleich erzähle: Man muss dazu wissen, dass ich rege von vielerlei Medien Gebrauch mache. Mich ständig weiterbilde, gerne auch im englischen Sprachraum. Quasi am Ball bleibe. Ich dachte wirklich, ich käme zurecht im Gespräch unter Menschen, die was mit Medien machen, und zwar im Schlaf und ohne sprachliche Barrieren. Und dann kam der World Usability Day.]
Da saßen der Christian und ich gestern also in einer FH, atmeten diese schultypische Luft (der olfaktorische Erinnerungsschockmoment beim Betreten des Gebäudes soll nicht unerwähnt bleiben) und lauschten 7 Vorträgen zum Thema Usability, von denen fast alle zumindest interessant, manche jedoch geradezu erstklassig waren – inhaltlich wie auch rhetorisch.
Eines aber strapazierte meine Nerven bei so manchem Vortragenden und einigen Diskutierenden: die inflationäre Verwendung englischer Begriffe. Es geht mir hier nicht unbedingt um Fachbegriffe – ich verlange ganz sicher nicht, dass man in Fachkreisen Anreißer anstatt Teaser sagt, oder Benutzbarkeit und Zugänglichkeit anstatt Usability und Accessibility – und auch über die üblichen eingedeutschten Wörter mag ich mich mitnichten beschweren. Gerade bei uns Medienfuzzis ist das Vor-sich-Hinbuzzen ja durchaus als Berufskrankheiten zu werten, so mancher Kunde wird sein Leid Lied davon singen können.
Aber diese Intensität … Wow. Mir wich das Grinsen fast nicht mehr aus dem Gesicht, ich dachte an all die wunderbaren Videos, die diesen Umstand so herrlich auf die Schippe nehmen und hier auch verlinkt wären, hätte ich jetzt Lust sie zu suchen, ich malte kleine Bienchen auf meinen Block und schrieb *Buzz…buzz…buzz .oO*, bis – ja bis einer der Anwesenden davon erzählte, dass er mit seinem iPhone ja total leicht die Slides fotografieren und unkompliziert weiterverarbeiten könne.
Slides fotografieren, achso. Ja. Äh.
Slides?
Ich war der Diskussion durchaus gefolgt, doch blöderweise verwehrte mir der themenkomplexe Gesamtkontext Rückschlüsse auf die Bedeutung dieser nett klingenden Vokabel. Also bekannte ich mich, zeigte Blöße, fragte nach.
– Na Folien!
… Folien. Slides. Vor-trags-fo-li-en. Da, die großen Dinger, direkt vor meiner Nase, die mit dem Content drauf. Die iPhonecam als Notepadersatz. Ich Depp.
Ich steh Anglizismen ja auch skeptisch gegenüber, und finde man sollte den Einsatz dessen stets hinterquestionen.
Aber "Slides" ist für mich schon ein absolut gängiger Term. Denn "Folien" trifft das heutzutage größenteils digital ablaufende Projektionsverfahren einfach nicht. Ich glaube seit mindestens 4-5 Jahren höre ich auf jeder Konferenz meist nur "Slides", sämtliche Online-Tools mit "Folien" heißen so wie "Google Slides".
Für mich ist das die zeitgemäße Beschreibunger ohne analogen Touch - äh, Berührung. ;-)
(Bei dem Weg: Content ist das bessere Beispiel für Kopfshaking, da stimm' ich zu.)
Hälst du selber Vorträge?
Sicherlich spielt auch die Häufigkeit von Konferenz-/Vortragsreihenbesuchen eine große Rolle im Adaptieren solcher Ausdrücke für den eigenen Sprachgebrauch.
Ich besuche nur höchstselten derartige Veranstaltungen. Auf dieser kamen die ersten 3,75 Stunden von insgesamt 4 Stunden auch wunderbar mit dem altgebräuchlichen Begriff aus.
Einen wirklichen „Funktionszuwachs“ außer der Wandlung von analog zu digital kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Für mich sind Folien Folien, genauso wie für einen nativ Englischsprachigen Slides immer noch Slides sein werden.
Ergo: Wenn du vor einem Vortragenden sitzt, der „Es sind auch nur 18 Folien, keine Sorge, ich fasse mich kurz!“ witzelt - rechnest du dann ernsthaft damit, dass er Plastik auf einen Overheadprojektor legt?
Worauf ich hier aber wirklich hinauswollte: Dass es mir gerade auf einer Veranstaltung passierte, deren Thematik zu einem großen Teil die Verständlichkeit von (Medien-) Produkten verbessern will. Und Nutzbarkeit fängt nun mal zu allererst bei Verstehen an.
So. Wo können wir zwei hübschen uns denn jetzt unsere Pedanten-Medaillen ehrenhalber, am Roten Bande, abholen? :)
(Ich will aber pink! ;P)
Es gibt nicht "Sinn machen", etwas kann Sinn haben oder Sinn ergeben.
to make sense heißt es nur im Englischen!
In this sense ;)
Robert
(Witze erklären ist doof, deshalb lass ich das an dieser Stelle einfach mal, hm? ;))
Slides sind vielleicht für den deutschsprachigen Präsentationsmenschen eine eindeutige Sache; wo Folie bedeutungsmäßig eingeschränkt ist, öffnet Slide gleich ein ganzes Spektrum an Bedeutungen. Unter anderem heißt es auch Rutschbahn und Talfahrt. Daran muss ich immer denken, wenn ich das Wort hör, und hinterher kommt ein "Da geht sie hin, die deutsche Sprache". ;)
Ja, man kennt den Begriff, aber der digitale Charakter wird durch Slide imho jedenfalls nicht unterstrichen; in der guten alten Zeit verstand man darunter einfach Dias. Und die waren in ihrer Präsentationstechnik auch nicht besonders digital.