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Dienstag, 24. Juni 2008

Das Leben und dazu eine Katze, das gibt eine unglaubliche Summe, ich schwör's euch!*

Man visualisiere einen entspannten Abend im April. Wir liegen zu viert gemütlich auf der Couch und genießen die Ruhe, da macht klein Phoebe sich auf einmal ganz besonders lang und streckt mir ihren Bauch entgegen. Anstatt wie erwartet einen glatten Bauch zu puscheln, fahre ich über ein noppenbesetztes Reißbrett auf der Seite der verbliebenen Gesäugeleiste. Und wie das dann nun mal bei serotonischen so ist, sackt meine ganze heile Welt semiheile Welt Welt derart zusammen, als hätte jemand einen Eimer Wasser über einem Kartenhaus aus dem Handgelenkschwung heraus fallen lassen.

Also neue Knoten im Gesäuge des Katzenmädchens. Wieder Tierarztbesuche. Erst einmal abgewartet, beobachtet, wieder ein bisschen gehofft. Doch dann erreichte ein Knoten die stattliche Größe einer genmanipulierten Erbse. Wir vereinbarten sofort einen OP-Termin.

Dieser Termin wäre gestern gewesen. Gewesen, wenn nicht Anfang letzter Woche ein signifikanter Umfangsrückgang der Knoten zu beobachten gewesen wäre. Kurzerhand sagten wir also den Termin ab â€“ keiner schneidet Madame ein zweites Mal von Brust- bis Schambein auf, wenn da nicht 100%ige Notwendig- und Dringlichkeit besteht. Aber da ich als Teenager so ein faules Stück war, bin ich heut nicht Veterinär, und so machten wir uns gestern in den frühen Abendstunden auf, den Zustand der Gesäugeleiste von unserer urlaubsfrischen Tierärztin als verbleibenswürdig absegnen zu lassen.

Dummerweise unterschätzten wir die mögliche Hysterie einer mütterlicherseits überzüchteten Kleinkatz immens, und so saßen wir in einem sommerwarmen Auto mit einer sich die Seele aus dem Leib schreienden Siamesendame, die gar kein Maß und Selbstschutz mehr kannte. Selbst bewährte Beruhigungstechniken scheiterten auf ganzer Linie, und nach etwas mehr als der Hälfte der Wegstrecke zeigte sich reinweißes Zahnfleisch an krampfhaft hechelnder Atmung. Atmung aber auch nur dann, wenn zwischen den Schreien ein paar Sekunden Zeit zu erübrigen war.

Ich würde ja ein Video (dessen Entstehung deutlich dem Beginn der Tierarztfahrt zuzuordnen ist, als zwar alles noch wunderlich, aber doch nicht gefährlich schien, schließlich fahren wir ja schon ein paar Jahre gemeinsam Tierärzte besuchen und das durchaus auch zur Sommerzeit) herzeigen, alleine weil die Stimmkraft von geballten dreikommafünf Kilogramm absolut erstaunlich ist, jedoch verbietet mir dies der Respe… Ach, was gibt’s da schon schwülstig zu reden: Mit dem Unmut eines Katzenmädchens macht man keinen Spaß. Schon gar nicht in einem so ernst zu nehmenden Kontext.

Jedenfalls kamen 3 klopfende Herzen bar aller Nerven in der Praxis an, wo sie noch das Kennenlernen von Hunden überleben mussten, die sich offensichtlich schon aus 4 Metern Entfernung nicht mochten, aber aufgrund unterschiedlicher Geschlechter nichtsdestotrotz von Herrchen und Frauchen in Kontakt gebracht werden mussten, was aus einer eh schon entkräfteten Siamdame ein elend brummendes Häufchen Fell, noch maximal einkilogramm-groß, und mich entsprechend rasend machte.

Kaum waren wir der Wartezimmerhölle entkommen, stimmte die braungebrannte und seelenruhige Tierärztin unserer Entscheidung für den Moment zu, ein wenig Galgenfrist hätten wir noch â€“ zumindest bis das herrschende Wetter sich gnädig und kühl zeigt, damit nicht allein aufgrund der Fahrt die Gefahr bestünde, dass uns Madame am hysterischen Hitzschlag elendig wegstirbt.
Für die Rückfahrt füllten wir dann massig Rescuetropfen in die Kleinkatz und ummantelten die Transportbox mit einem klitschnassen Handtuch als Notfall-Klimaanlage, was â€“ Bastet sei es vielfach gedankt â€“ Erfolgsfrüchte trug. Und so tragen wir die Mundwinkel wieder latent sonnengerichtet. Zumindest temporär.

Jetzt heißt es für die Zukunft nur noch hoffen, dass Madame et Monsieur ausschließlich in den Wintermonaten belieben, Krankheitssymptome zu entwickeln â€“ oder ein wohlmeinender Geist uns spontan mit einem Kraftfahrzeug mit Klimaanlagenausstattung segnet. Und natürlich, dass bei der Groß-OP zur Winterzeit alles gut geht. Aber jeder Gedanke zu seiner Zeit. Zahnfleisch ist schließlich nicht zum Laufen da.

*) Haben Sie Dank, Herr Rilke. Sie ha’m so Recht.

angeschnurrt um 15:14 | 4 Kommentare | 0 Trackbacks
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Kommentare
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....biete gerne mein Vehikel für Taxifahrten zur Verfügung an, inkl. Chauffeur. Der Kleinen geht es ja auch schon so schlecht genug, da helfe ich gerne :-)
#1 Merlin am 24.06.2008 22:48
Hiermit drohe ich Annahme des Angebotes an. Also für den nächsten Sommernotfall wäre das wirklich super, da danken wir rein präventiv schon einmal herzlich!

(Davon völlig ab: Bastet sei Dank hat Madame ja keinerlei Ahnung davon, dass es ihr überhaupt schlecht geht, die würde uns den Vogel zeigen! ;))
#2 serotonic (Link) am 25.06.2008 09:18
Entschuldige die Wortwahl, aber...

SCHEIßENDRECK!!!

Ich hatte Euch so gewünscht, dass das Thema durch ist und das Fellchen genug gelitten hat.
#3 Jagolina (Link) am 01.07.2008 10:29
Sachstewas. *seufz*
(Dieses Gefühl, ihr das – ganz konkret, willentlich und auf Anweisung – anzutun, zerreißt uns hier.)
#4 serotonic (Link) am 01.07.2008 17:33