Freitag, 20. April 2007
Nein, Herr Schäuble. Ich will Ihre Sicherheitsmaßnahmen nicht.
… und erzählen Sie mir doch bitte nicht, dass Ihre ganzen himmelschreiend unverhältnismäßigen Einzelmaßnahmen kein Gesamtpaket ergäben. Mir jedenfalls macht das, was sie da machen, sagen, transportieren, Angst. Keine Angst vor Terrorismus, nein, Angst vor der Regierung, die eigentlich meine Interessen vertreten sollte.
Vor allem, wenn Sie vollkommen selbstverständlich Sätze äußern wie „Naja, und wenn der Verdacht sich als unbegründet herausstellt, wird er [der unschuldig Verdächtigte] auch informiert, dass er verdächtig war …“, dann zeigt mir das, dass sie ganz grundsätzlich nicht verstanden haben, was das Grundgesetz bedeutet. Nämlich die Unantastbarkeit der menschlichen Würde.
Indem Sie mich aber ohne mein Wissen und ohne konkrete Gefahr und richterlichen Beschluss durchleuchten, meine Kontakte prüfen, meinen PC durchsuchen – ergo tief in mein Privatleben eindringen – nehmen Sie mir meine Würde, machen mich zu einem reinen Objekt staatlicher Begierde.
Sie versuchen abzuwiegeln, das dumme Wahlvieh ruhig zu halten, indem Sie Wörter wie „notwendig“, gekoppelt an die Begriffe „Sicherheit“ und „Schutz“ unterbringen, wo Sie nur können, und schüren die diffuse Angst vor terroristischen Akten, beharren auf ihrer paranoiden Wahrnehmung von vermeintlichen Notwenigkeiten. Sie wollen eine Einschränkung meiner Freiheit für etwas, was Sie Sicherheit nennen.
Aber wissen Sie was, Herr Schäuble? Meine Freiheit, das ist mein höchstes Gut. Und das will ich mir nicht nehmen lassen. Schon gar nicht für etwas so unberechenbares wie Sicherheit.
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Unbedingt empfehlenswerte Links zum Thema:
Abstimmung bei der Tagesschau: Inwieweit sind die Pläne zur Terrorabwehr verhältnismäßig?
law blog: Hallo, rechtloses Ojekt
Mein Parteibuch: Rücktritt von Wolfgang Schäuble überfällig
Heise: Schäubles Äußerungen zur Unschuldsvermutung lösen Entrüstung aus
Telepolis: Schäubles Symptome – Trüben Traumata die Urteilsfähigkeit des Ministers? (Bitte zusätzlich die Diskussion in der Zuckerschachtel beachten!)
Und komme mir bitte niemand, NIEMAND mehr damit, dass er ja schließlich nichts zu verbergen hätte.
| Links teilweise via Christian |
Ich habe den Eindruck, dass in dem Telepolis-Artikel dem Autor die Argumente ausgegangen sind und er sich wohl auch von den anderen Artikeln abheben wollte - aber das geht auf Kosten aller Behinderten dieser Gesellschaft, indem es sie in der Wahrnehmung erneut auf ihre Behinderung reduziert.
Genauso gut könnte man einen Artikel verfassen, der sich mit dem Freiheitsverständnis von Katzenbesitzern in diesem Fall beschäftigt.
- Dies alles schreibt Eine mit einem definitiv anderen Parteibuch als Herr Schäuble und zwei Katzen neben mir.
: Den Link zu dem Telepolis-Artikel finde ich nicht in Ordnung.
: Immerhin ist das Ereignis schon 17 Jahre her und bislang
: hat Herr Schäuble nicht den Eindruck eines
: Traumatisierten hinterlassen.
Bisher hatte Herr Schäuble auch weniger Gelegenheit. Seit dem Attentat war er selten in einer Position, in der solche Pläne für ihn möglich gewesen wären - kein Mensch weiss, was wie lange in seinen Schubladen vor sich hin gammelt. Reine Spekulation.
Aber die weltpolitische Lage hat sich nicht in 17 Jahren, sondern erst in den letzten Jahren verändert. Gleichzeitig war Herr Schäuble vor gar nicht so langer Zeit noch in der Opposition - da mussten also erst einmal ein paar äußere Bedingungen zueinander passen.
: aber das geht auf Kosten aller Behinderten dieser
: Gesellschaft, indem es sie in der Wahrnehmung
: erneut auf ihre Behinderung reduziert.
Ich denke, dass man da sehr genau diffenzieren muss. Die Behinderung Schäubles ist seine Querschnittslähmung und um die geht es nicht.
Es geht um die Möglichkeit einer posttraumatischen Belastungsstörung - und das ist keine Behinderung, sondern eben ein Trauma. Eine psychische Krankheit, ausgelöst durch ein Attentat oder ähnliches. Eine Krankheit, deren Symptome erschreckend gut zu dem passen, was Herr Schäuble nach aussen darstellt.
Da wird niemand diskriminiert und niemand muss etwas mittragen.
Und: Viel wichtiger ist doch wohl die Frage, was im Moment auf Betreiben Herr Schäubles mit unserer Freiheit geschehen soll. Da ist mir der Grund, den jemand persönlich hat, um Gesetze voranzutreiben, ehrlich gesagt relativ egal.
Der einzige Grund, den er haben darf, ist der, zum Wohle des deutschen Volkes, das ihn demokratisch gewählt hat, zu handeln. Also Deines und meines Wohls.
Wenn er persönliche Gründe hat - und seien sie noch so schwerwiegend, dann dürfen die da nicht reinspielen. Aber dann muss er differenzieren - und wenn er das nicht mehr kann, dann ist er falsch in dem Amt. Deutschland und sein Grundgesetzt ist ja kein Sandkasten. Und er nicht der Boss, sondern ein gewählter Volksvertreter. Und "Wählen" beinhaltet auch "Abwählen".
In meinen Augen hat die Hinterfragung von Schäubles Motiven durchaus ihre Daseinsberechtigung. Und ich hätte diesen Artikel nicht verlinkt, wäre in mir nicht auch schon längst die Vermutung herangewachsen, dass Schäuble von dem Attentat damals eine grundsätzlich andere Betrachtungsweise des Themas „Sicherheit“ mitgenommen hat, als sie das Gros der hierzulande lebenden Menschen fühlt.
Zum Lesen des Telepolis-Artikels gehört ganz klar dazu, zwischen seiner körperlichen Behinderung und seiner psychischen Verfassung differenzieren zu können. Schäuble wird hier nicht aufgrund seiner Behinderung kritisch beleuchtet, sondern aus seiner *persönlichen* Haltung potentieller Gefahren gegenüber, die nun Einzug in *unser aller* Leben halten soll.
Es stellt sich doch durchaus die Frage, ob ein Mensch, dessen Leben einen großen Einschnitt durch ein Attentat erfahren hat, wirklich in der Lage ist, die Prävention von Gefahren in einer Verhältnismäßigkeit anzugehen, die die Bedürfnisse der Masse befriedigt. Und es sollte auch durchaus erlaubt sein in Frage zu stellen, ob jemand, der durch so ein Ereignis Einschnitte erfahren hat, psychisch überhaupt in der Lage ist, konstruktiv zu denken und nicht in blinden Aktionismus zu kippen.
Das hat nichts mit Demontage einer Persönlichkeit zu tun.
(Manchmal frage ich mich, ob Stimmen solcherart auch laut werden würden, wäre Schäuble durch das Attentat körperlich unversehrt geblieben. Ich vermute manchmal eine Art hochübersteigerter Social Correctnes. Ich möchte da aber niemanden etwas unterstellen, auch dir nicht, Jolie.)
Abschließend:
> Genauso gut könnte man einen Artikel verfassen,
> der sich mit dem Freiheitsverständnis von Katzenbesitzern
> in diesem Fall beschäftigt.
Jedem steht es frei, genau einen solchen Artikel zu verfassen und zu veröffentlichen. Ich frage mich nur, was das Eine mit dem Anderen zu tun hat, bis auf das Wörtchen „Freiheit“?
aus mangelnden Zeitgründen (habe einen zehnmonatigen Sohn, der gerade fiebert) verweise ich auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Artikel von Christiane Link:
http://www.behindertenparkplatz.de/cl/2007/04/11/770/
Richtig Serotonic, meiner Meinung nach könnte man genauso einen Artikel über Katzenhalter und ihr Verständnis von Freiheit schreiben wie über Behinderte und deren Verständnis von Freiheit - beides erscheint mir gleich widersinnig.
Entschuldigt nochmal meinen schlichten Verweis auf eine andere, wie ich aber finde, sehr gut artikulierte Quelle.
Ja, die Illustration des Artikels ist unter aller Sau.
Ja, das Abheben auf "keine Sexualität mehr" ebenso.
Und, ja, Christianes (die ich sehr schätze) Artikel hat mich noch einmal nachdenklich gemacht.
Was bei mir bleibt:
Ich bin durchaus politisch interessiert und auch immer wieder - auf lokaler Ebene - aktiv. Ich kenne das Gefühl, dass man fassunsglos vor etwas steht, was einem "der politische Gegner" vorsetzt, weil jede Form von gesundem Menschenverstand meiner Meinung nach dagegen sein müsste. Der Glaube, dass auch "der politische gegner" irgendwo das beste für Land/Stadt/Volk/... und dass nur unsere Vorstellungen von diesem "Besten" arg differieren hat mir das sehr viel Toleranz und Verständnis beigebracht.
Was Herr Schäuble im Moment mit großer Energie betreibt kann von mir nicht toleriert werden, da stehe ich fassungslos, hilflos, wütend davor. Und mir persönlich hilft da jeder Erklärungsversuch für die Motivation, die er haben könnte - und mir hilft auch die Vorstellung, dass es keine Motivation gibt, sondern wir die Überreaktion nach persönlich erlittenem Schicksal beobachten und ausbaden.
Fertig.
Kein "die Behinderten", kein "hat keinen Sex, muss Macht beweisen", kein "die Rollifahrer".
Du hast Recht, wenn ich da vielleicht die Wirkung, die auch vermittelt werden kann unterschätzt habe.
Aber darüber nachzudenken, woher Schäubles Motivation kommt und einen weiteren Ansatzpunkt zu haben, warum er für dieses Amt nicht geeignet ist (nicht der Rolli, sondern, gesetzt den Fall es sit so, der traumatische Schaden) muss erlaubt sein. Genauso wie, darüber nachzudenken, ob er krank ist, und zwar krank in einer Form, die ihn für sein Amt ungeeignet macht.
Genauso, wie ich ehrlich gesagt keinen manisch depressiven Kanzler haben möchte. Das hat für mich auch nichts mit Diskrminierung zu tun - der könnte nur meiner Meinung nach dieses Job einfach nicht ausüben.
So wie ich es für sehr zweifelhaft halte, ob jemand mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, die seine Maßstäbe von Sicherheit verschiebt (so es denn eine wäre) für meine Sicherheit verantwortlich sein kann.
Aber Du hast Recht, der Artikel kann auch falsch verstanden werden. Mea culpa. Ich dachte, wir wären unter intelligenten Menschen hier und wüssten das auch alle.
Und: ich muss gestehen, dass ich im Moment so das Gefühl habe, dass die Luft brennt, dass ich es hochgradig gefährlich finde, wenn sich alle, die irgendwie Herrn Schäuble seines Amtes enthoben sehen möchten erst einmal in Zwistigkeiten untereinander verlieren, ob dieses oder jenes jetzt 100%ig ok war.
Mir ist egal, warum Herr Schäuble das alles macht. Ich möchte ihn nur nicht länger als meinen Minister haben.
Die Bebilderung und den Abschnitt über die Pflegebedürftigkeit und Sexualität empfinde ich ebenfalls als diskriminierend. Schäubles Privatleben geht mich überhaupt nichts an und sollte auch in meinen Augen nicht Gegenstand einer solchen Diskussion sein. Genausowenig wie seine Behinderung.
Diese Punkte sind jedoch nicht der Haupttenor des Artikels – ich habe ihn nie so gelesen, dass er auf die Behinderung Schäubles abzielt. Auch nach erneuter Lektüre sehe ich nicht, dass er als behinderter Mensch diskreditiert wird (wie gesagt, beide oben genannten Punkte ausgenommen). Vielmehr sehe ich eine kritische Hinterfragung seiner Fähigkeit, aufgrund seiner eigenen, traumatisierenden Erfahrung des Attentats, Entscheidungen *für uns alle* zu treffen, die eventuell aus einer einzelnen *persönlichen* Erfahrung resultieren.
Dorothea schreibt in den Kommentaren bei Christiane, Schäuble würde in dem Artikel als „Psychowrack“, als „Nix als BEHINDI“ dargestellt. Andere schließen von diesem Artikel auf ein Urteil über alle behinderten Menschen.
Das ist keinesfalls nicht der Eindruck, der bei mir entstanden ist. Vielleicht ist es eine Frage des eigenen Standpunktes, wie man den Artikel versteht, oder verstanden haben möchte. Und mein Standpunkt schließt von vorne herein aus, dass ein Mensch aufgrund seiner Behinderung diskriminiert und demontiert wird. Nicht, dass ich diesen Gedanken jedesmal manifestieren muss – mein Verständis dort ist ein intuitiv gefühltes und ließ mich bei den betreffenden Passagen stirnrunzeln.
(Dass aber doch recht oft bei Thematisierung einer Behinderung Diskriminierung vermutet oder gar fast vorrausgesetzt wird, macht es mir hier, und auch im Alltag, nicht leicht, mit dem Thema so unbefangen umzugehen, wie ich es fühle. Aber das ist wirklich ein Thema für sich, das seine ganz eigene Ausmerksamkeit benötigt.)
Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich den Artikel verlinkte, ohne den Link mit eigenen Worten zu kleiden: Ich habe intuitiv differenziert zwischen seiner Behinderung und dem, worum es in dem Artikel wirklich ging. Wie Christian schon andeutete, hätte ich nicht unbedingt vorraussetzen sollen, dass hier alle Leser ebenso fühlen und intuitiv differenzieren. Trotzdem stehe ich nach wie vor zu der Verlinkung des Artikels, werde aber einen Hinweis auf diese Diskussion in den Artikel einarbeiten.
> Richtig Serotonic, meiner Meinung nach könnte man
> genauso einen Artikel über Katzenhalter und
> ihr Verständnis von Freiheit schreiben wie über Behinderte
> und deren Verständnis von Freiheit - beides erscheint
> mir gleich widersinnig.
Jolie, verzeih, wenn ich dich missverstehe, aber was genau mischt du hier jetzt mit was? Mir war bislang nicht bewusst, dass wir über das Freiheitsverständnis von Behinderten sprachen. Ich würde aber doch gerne verstehen, was du mir mitteilen möchtest.
Deinem kleinen Sohn gute Besserung!
Fühlen Sie sich bitte frei, für den Rest Ihrer Tage ihr Maul auf meinem Blog geschlossen zu halten und woanders Klowände zu beschmieren.
Dennoch einen schönen Sonntag beste Grüße David
Die Links kenne ich zwar bereits, aber es ist schön zu sehen, wie andere über dieses Thema der "Schäublen-Sicherheitsvorstellungen" denken.
Auch wenn die Umfrage der Tagesschau nicht repräsentativ ist, so zeigt sie doch in ihrem derzeitigen Ergebnis, dass sehr viele Menschen in diesem Land nicht nur Bedenken zu seinen "Ideen" hat, sondern diesen Angriff auf das Grundgesetz eindeutig ablehnt.