Mittwoch, 25. Oktober 2006
Einmal Berlin und zurück – oder: Ein Tag mit Bundesweh
Folgende zeitlich strukturierten, langatmig geschilderten Begebenheiten trugen sich am Donnerstag, den 19. Oktober 2006 zu und protokollieren den Wahnsinn, der durch erschöpfte Flug-Kontingente bei kurzfristigen Dienstreisen entstehen kann. Sollten Sie das alles wirklich lesen wollen, empfehle ich gute Hintergrundmusik zwecks Unterdrückung plötzlich auftretender Langeweilezustände. Die zeitlich versetzte Veröffentlichung ist in herzinternen Pietätsfragen begründet.
04:00 Uhr, Kaffee kochen, Fellchen füttern, Reportage über REM auf Euronews zum Wachwerden missbrauchen. What’s the frequency, Kenneth?
04:31 Uhr, das Telefon klingelt. „Sind 20 Minuten früher da!“ Dann aber schnell ohne Kaffee in die Klamotten steigen und Makeup auf die Schlaffalten schmieren, schlafwarmen Poschisten goodbye knutschen – und hinaus in die unsittliche Vier-Uhr-achtundvierzig-Welt.
06:11 Uhr, Truckerfrühstück für 4,99 Euro. 25 Gramm Leberwurst kosten hier unglaublich günstige 1,10 Euro extra, Margarine lächerliche 70 Cent. Die Wiedereinführung von kostenintensiven Eselskarren zwecks Warentransport muss mir entgangen sein. Ein kaffeeschwappendes Hoch auf Rastplatzpreise!

07:41 Uhr, die Sonne traut sich zaghaft hinter der Dämmerung hervor. Noch 365 Kilometer Rücksitzbankdrücken. Der Hintern ist mir soeben eingeschlafen, wie schön. Das wird noch ein ausgesprochenes Freudenfest, ich ahne es bereits.
08:53 Uhr, der Webmaster nimmt vor lauter Langeweile den Signum auseinander. El cheffe nuevo wird genötigt erste Reparaturarbeiten durchzuführen. Gemeinsam definieren wir das Wort „Hörbuch“ neu.

08:59 Uhr, Königslutter. Der Verkehr fließt. Die Blase drückt. 2 Drittel geschafft.
10:35 Uhr, Berlin, Berlin! Die sonore Naviweibsstimme verkündet 6 Kilometer Stau voraus. Das erste Mal Spreeblick. Meine Augenringe nehmen überdimensionale Ausmaße an. Ah, da isser ja, der Stau. Ick freu mir so!
10:51 Uhr, Ankunft. Naja, fast. Wir müssten nur noch einen Parkplatz finden. Ist fast wie in der Bonner Südstadt hier, nur mit rund 600 Kilometer Unterschied, weniger Beschaulichkeit und wesentlich mehr Satellitenschüsseln. Die Weggefährten sinnieren über vertane Frühstückschancen und wundern sich ausgiebig über witzige Hausnummernsprünge der Chausseestraße. Thats entertainment, baby.
11:02 Uhr. Das Ziel immer noch nicht gefunden, ganz zu schweigen von einem Parkplatz. Lost im Herzen Berlins. El cheffe nuevo erwägt, das Fahrzeug zu verlassen und per pede das Ziel ins Visier zu nehmen. Wir nähern uns bedenklichen Nervenzuständen.
11:12 Uhr, Zielort und Parkplatz gefunden. Jetzt aber schnell.

16:28 Uhr, done. Der Kopf raucht. Die Besprechung war unfassbar fruchtbar, eine seltene Erscheinung sachlicher Konstruktivität, für die sich die Reise tatsächlich gelohnt hat. Jetzt freu ick mir wirklich. Nun ab nach Hause. Aber zackig jetzt.
16:44 Uhr, sagte ich zackig? Muah-haha. Schönen Feierabendverkehr hat’s hier. Nicht, dass wir mit etwas Anderem gerechnet hätten [hier bitte resigniertes Seufzen audiovisualisieren] … Dass der GEZ-Gebühren-Beschluss durch ist, macht die Situation auch nicht besser: Argh.
17:21 Uhr, bye bye Berlin. So gerne ich auch in dir bin: jetzt, just in diesem Moment, bin ich einfach nur saufroh, deinem Stau, deinem Smog – dir – den Rücken gekehrt zu haben. Oh du mein geliebtes Rheinland, ich komme, ich eile!
18:38 Uhr, pappsatt. Cheeseburger, Chickenburger, Beef Lang Zu, Fritten (rotweiß, wie es sich gehört), Vanielleshake. Ich war ein kleines bisschen hungrig. Noch 467 Kilometer. Mein Sitzfleisch hält wiederholt ein Nickerchen.
20:19 Uhr, apropos Nickerchen. Augen werden schwer, mir ist fürchterlich langweilig und ich fühle mich aufgrund dessen hochgradig gestresst. Ich mag nicht mehr beisitzen, schon gar nicht in der letzten Reihe. Werde ausgesprochen quengelig. Sind wir jetzt bald da-aaa? Ich will ein Eis und muss mal.
22:45 Uhr, Home Sweet Home. Keine Kraft mehr für weitere ausufernde Situationsbeschreibung. Bett ruft.
Knapp 18 Stunden unterwegs mit Bundesweh. Was ein Tag.

Und zum Hörbuch: Besser als der extravagante Musikgeschmack von El Cheffe nuovo, den wir mal auf dem Weg nach Celle geniessen durften. Lang, lang ist's her :-)
Nuovo ist die richtige Form? Wir rätselten da mangels Sprachkenntnis.
Und sie sind also der Meinung, das Hörbuch wäre die bessere Variante? Ha! SIE mussten ja schließlich nicht von der Rücksitzbank aus vorlesen! :D
(Nach dem Musikgeschmack werde ich ihn nichtsdestotrotz befragen)
Toujours-Moi und Leichtmatrose:
:)