Montag, 4. September 2006
Alles klar bei dir, liebe BPjM?
Ich mein’, ich habs ja nicht so mit Musikkritik, die scheitert oft direkt an meinem durchaus mainstreamfähigen Geschmack. Dann schon eher mit doppelmoralischer Sprachkritik, das liegt mir schon eher. Manchmal versuche ich mich auch recht halbgar darin, die Gesellschaft zu kritisieren. Heute habe ich einmal Gelegenheit, direkt alle dieser 3 Fliegen mit ein und der selben Klappe zu erschlagen.
Es begab sich an einem anstrengenden Samstagspätnachmittag, als der Poschist und ich eine Pause vom Möbelrücken einlegten, um uns an Kaffee, Gebäck und medialer Unterhaltung gütlich zu tun. Der Kaffee duftete wunderbar, die Muffins zitterten schon beim Anblick unserer gierigen Mäuler; wir ließen uns zufrieden seufzend in die wenigen Sofakissen sinken und der Herr Poschist übernahm die Macht, um sich quer durchs TV-Programm zu zappen. Wir schlürften, streckten die schmerzenden Glieder, amüsierten uns über die inflationäre Verwendung von „Drop-it-like-it’s-hot“-Posen weiblicher Musikvideostatistinnen mit künftigem Rückratschaden, mampften Muffins was das Zeug hielt, bis … ja bis uns vollsynchron eben jene Muffins im Halse stecken blieben. An unsere Ohren drang etwas, was beim flüchtigen Hören dem Kehlchen des Kotio–Motel-Frontmädels hätte entspringen können, an unserem Sehnerv etwas, das Brüste und aggressive Bewegungsweisen darbot – und in unseren Verstand schlug der Satz „Ich_könnte_dich_erschießen“ voll ein. Nachdem wir unsere Luftröhren von unwillkürlich eingeatmeten Muffinkrümeln befreit hatten, blieb uns noch ein Weilchen der Mund offen stehen, und die Fassungslosigkeit machte es sich in unseren Augenpaaren gemütlich.
Ich erspare dem werten Leser nun eine weiterführende Schilderung des Liedgut-Inhaltes, bitte jedoch darum, zum Verständnis der nun folgende Worte folgenden Link zu klicken und sich einmal höchstselbst anzuschauen, was das Hause seroposch in unverholenes Staunen versetze: Loza Lo
Nachdem nun wir nun alle auf dem gleichen Stand sind, stelle ich einfach einmal folgende, äußerst banale, aber in meinen Augen durchaus berechtigte Frage in den Raum: Muss sowas sein? Oder vielleicht auch: Darf sowas sein?
Ich erinnere mich nur zu gut daran, dass ich als Jugendliche etliche Tapes und CDs besaß, welche auf dem Index standen. Besonders lang her ist das nun wirklich nicht. Ich erinnere mich aber nicht, auch nur eine CD besessen zu haben, die einen Text mit so umfassendem Gewaltpotential beinhaltete. Zum allererstem Male bin ich schockiert (wirklich schockiert – nicht nur unangenehm berührt oder befremdet) von dem, was „die Jugend“ da hört. Schockiert, dass so etwas produziert wurde. Schockiert, dass es vermarktet wird. Schockiert, wie alltäglich Gewalt, und sei es nur in Sprache, mittlerweile zu sein scheint. Schockiert, dass die Vorstellung genussvollen Mordens Teil der jugendgerichteten Medienlandschaft ist. Schockiert über den Grad der Verrohung (da war doch mal was? Himmel hilf.).
Erwähnte ich schon, dass ich schockiert bin? Gut. Dann kann ich ja zum nächsten Punkt übergehen: Was macht eigentlich die BPjM so? Ich mein, außer eine kuschelig-flauschig anmutende Internetpräsenz zu haben? ’N Nickerchen vielleicht? Vielleicht auch ein ausgiebiges? Oder hat die sich jetzt so auf das böse, böse Blut in Computerspielen eingeschossen, dass der Tellerrand zum Überblicken zu weit weg rückte? Oder deute ich den Satz Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien
(§ 18 Absatz 1 des JuSchG, Hervorhebung von mir) im Zusammenhang mit zu indizierenden Medien nur so vollkommen falsch?
Vielleicht habe ich ja doch schon den Blick für die Jungen unter den jungen Menschen verloren. Vielleicht ist das ja heute so, dass die Musikindustrie solcherlei produzieren und vermarkten muss, um zumindest noch ein Sonntagsbrötchen pro Mitarbeiter zu verdienen. Vielleicht fällt das Bedürfnis, einen Ex-Freund mal ordentlich blutreich ums Eck zu bringen, mittlerweile unter das, was gemeinschaftsfähige Persönlichkeiten auszeichnet. Vielleicht sollte ich mich endgültig von meiner rosigen Vorstellung gesellschaftlicher Verantwortung verabschieden und umlernen.
Erfahrungen mit Waffenscheinen, anyone?
eminem ist nun auch nicht grade ein kind von traurigkeit, was seine texte betrifft, aber die versteht unser kurzer ja auch noch nicht...und wenn er sie versteht, bin ich mit der erziehung hoffentlich so weit gekommen, dass er sie zu interpretieren weiß....
Aber das ist textlich nicht wirklich was ungewöhnliches, wenn man mal davon absieht, daß es in deutscher statt in englischer Sprache vorliegt.
Ich versteh die Aufregung nur zu gut - und selbst wenns noch mehr so Texte gibt, wird der Songtext dadurch nicht besser.
Anträge kann jeder 'besorgte Bürger' stellen. Da die BPjM eine staatliche Institution ist, sind sie gezwungen auf 'besorgte Bürger' einzugehen, und verpflichtet Dir auf Deine Anfrage zu antworten. Ich würde sowas unterstützen. :-)
Was Waffenscheine angeht, da sag ich mal nur: Denny Crane. *ambodenliegnurbeidemgedankenanihn*
So heißt es nämlich [url=http://www.bundespruefstelle.de/bmfsfj/generator/bpjm/Jugendmedienschutz/indizierungsverfahren]hier[/url], dass nur spezielle Amtsstellen Prüfungsanträge "fordern" können. D.h. erst müsste man als Privatperson sich an eine solche Stelle wenden.
Ganz davon abgesehen findet man [url=http://www.bundespruefstelle.de/bpjm/Jugendmedienschutz/Indizierungsverfahren/antraege-anregungen.html]dieser URL[/url] einen Hinweis darauf, dass für Dein Anliegen die BPjM anscheinend garnicht zuständig ist:
[quote]
Die BPjM ist zuständig für die Beurteilung der Jugendgefährdung im Hinblick auf alle Medien mit Ausnahme des Rundfunks (Fernsehen und Hörfunk).
[/quote]
Scheint also, als wäre für Deine "Tonkritik" die Landesmedienanstalten Ansprechpartner #1, und die BPjM wurde zu Unrecht videomäßig geschoren. ;-)
Hoffentlich bleibt sowas nur eine Eintagsfliege.
Mein Radio ist TOT. Da gibbs nur noch CD.
Und wegen dem letzten Satz. Was und Wieviel davon...
Das ist mein einziger Hoffnungsschimmer am Horizont: Verantwortungsvolle Eltern. Ein Strohhalm, ich weiß. Aber dass es ihn gibt, ist gut zu lesen. Danke.
Isotopp:
Wie jetzt, ich, alt? Pöh! ;)
Nein, da magst du schon recht haben, ich hatte mehrfach den Gedanken: JETZT ist’s soweit. JETZT gehörst du zum alten Eisen.
Aber: ich verstehe englische Texte in der Regel (nicht jede Vokabel – aber doch sinngemäß) ohne, dass ich sie mir übersetzen müsste. Natürlich ist da einiges an üblen Inhalten vorhanden – ich meine aber, dass das hier Angeprangerte eine besondere „Quälität“ hat.
Tobias:
Ja.
Garvin:
Entschuldige erst einmal, dass dein Kommentar so zerhackstückelt wurde. Ich hier nichts UBB-Code ;)
Dass mein Anliegen bei der BPjM nicht korrekt untergebracht wäre – das sehe ich nach Lektüre deiner Links immer noch anders. Hier geht es ja nicht um Fernsehen und Rundfunk, sondern um Tonträger. Und diesbezüglich habe ich ja schon oben verlinkt.
Ich muss allerdings sagen, dass ich zur Zeit (und wenn es nach fauler Ausrede klingt) einfach nicht die Kraft habe, mich da voll reinzuschmeißen. Die Welt zu retten verschiebe ich schon seit Wochen auf Morgen.
Boston Legal habe ich btw nie gesehen und kann mich daher nicht zu dir auf den Boden schmeißen :(
Trace:
Der Griff in den Schritt ist mir ehrlich gesagt herzlich wurstbrot ;)
Uwe:
Keinen Bedarf mehr ;)
(Na, ob die Internetverbindung hält, wenn ich diesen Kommentar abschicke? *trommelwirbel*)