Freitag, 2. Dezember 2005
Das kleine Engelchen, jetzt mit Loch in Bauch
Manchmal glaube ich, ich bin nicht nur ein wenig irre, langsam werde ich wunderlich was „meine“ Katzen angeht.
Donnerstag war der Termin, schon Montag fing ich an, latent nervös zu sein. Dienstag hatte ich das erste Mal Angst um das kleine Mädchen. Mittwoch Abend wurde ich richtig nervös und konnte nicht einschlafen. Donnerstag Morgen beschlich mich panikähnliche Angst: Ich fuhr die Kleine heulend zum Tierarzt, gab sie heulend ab, fuhr heulend zur Bank, kaufte mir heulend eine Nussecken-Nervennahrung, aß sie heulend im Auto, fuhr heulend wieder nach Hause, bereitete heulend die Wärmflasche für die Fahrt, holte die Kleine heulend ab.
Das ganze wohlwissend, dass eine Kastration ein Routineeingriff ist; auch wissend, dass jemand, dem ich schon bei der gleichen OP assistieren durfte (ist das wirklich schon 8 Jahre her?), also Jemand, der mein vollstes Vertrauen genießt, die OP durchführen und über mein Mädchen wachen wird.
Es ist alles gut gegangen, die Kleine ist kastriert und entspricht meiner Einschätzung im Vollen. Natürlich war das Erste, was sie machte, nachdem sie wieder einigermaßen bei sich war, an der Wunde zu lecken. Natürlich hatte ich mir daher schon einen Kragen mitgeben lassen. Natürlich muss die Kleine ihn jetzt tragen. Und natürlich ist sie totunglücklich.
Sie findet keine Ruhe, dieses doofe Ding um ihren Kopf verleidet ihr glatt das Schlafen, das Trinken und Fressen, sie kann sich nicht putzen und leckt daher fast manisch die Innenseite des Kragens – und muss das alles bis nächste Woche Samstag, volle 10 Tage, ertragen.
Der Dicke entspricht natürlich auch meinen Erwartungen und hat nichts Besseres zu tun, als sie zu ärgern, wo er nur kann. Liegt sie einmal ruhig, kommt er angewatschelt und will ihren Platz. Will an ihren Bauch, beißt sie feste in den Nacken – wir mussten den Dicken schon einige Male böse in seine Schranken weisen. So ein frisch operiertes Mädchen sollte man wie ein rohes Ei behandeln und nicht noch quälen, bis sie schwach weint, weil sie zum Schreien und Eigenwehr noch keine Kraft hat. Absolut kein Feingefühl beim Herrn Gewaltkater vorhanden.
Sie sucht daher wie gewohnt Schutz auf meinem Schoß, und da findet sie auch Ruhe. Was aber zur Folge hat, dass ich nicht vernünftig arbeiten kann: so eine angeschlagene, tottraurige, übermüdetete Katze mit Kragen ist schon schwerer zu handhaben, als ein kleines, gesundes, strahlendes Mädchen.
Das Engelchen tut mir so unglaublich leid. Da hilft auch alles „Ist ja nur für kurze Zeit und danach ist alles wieder in Ordnung“ nicht.
Unseren Beiden steht dieses Schicksal auch noch bevor. Bei Katern ist das zwar eine harmlosere Routine, aber glücklich werden die auch nicht sein. Dafür kommen sie beide zusammen dran, und haben dann geteiltes Leid, halbes Leid. Und keiner kommt auf dumme Gedanken. Oder beide, was ich für wahrscheinlicher halte. ;)
Gute Besserung an Phoebe, möge sie die Strapazen schnell hinter sich lassen!
Sie leckt leider umgehend intensiv an der Wunde, sobald der Kragen aus und der Fressnapf leer ist. So zöge sie sich dann den Faden schneller, als ich gucken könnte, und dann hätten wir hier ein Mädchen mit offener Bauchdecke, Stunden später eine Infektion ... und weiter mag ich gar nicht denken.
Habe so oft mit der Tierärztin telefoniert die Tage, dass sich eine Standleitung fast gelohnt hätte.
Was den Kater angeht: So ungewöhnlich ist sein Verhalten, einmal von der Situation abgesehen, eigentlich nicht. Er fällt immer wieder aus der Rolle und behandelt das Mädchen verdammt roh, kennt keine Grenzen. Als sie noch Baby war, hätte er sie öfter fast mit den Hinterbeinen auseinandergerissen. Ich hätte nur nicht unbedingt gedacht, dass er das auch macht, wenn es dem Mädchen schlecht geht. Wir grübeln hier auch öfter über seine ausgeprägten Macken und kommen immer wieder nur zu dem Schluß, dass er Sozialisierungsdefizite hat. Wir haben ihn ja erst bekommen, als er ausgewachsen war, und wann er von seiner Mutter und Geschwistern getrennt wurde, ist uns nicht bekannt.
Bis auf die Ausfälle, die er hin und wieder hat, verstehen die beiden sich aber ausgesprochen gut.
Mittlerweile scheint er sich auch an sie und den Kragen gewöhnt zu haben, putzt und beschnuffelt sie wieder zärtlich, bewacht sie selbst auf dem Klo. Gerade haben sie das erste Mal wieder friedlich nebeneinander geschlafen, siehe hier:
http://gedankenzoo.serotonic.de/uploads/Katzen/IMG_0190.jpg
Wenn ich auch jeden ruhigen Moment mit Vorsicht genieße, das stimmt mich alles schon wieder ein wenig zuversichtlicher. Vor allem, weil das Mädchen ihr Schnurrorgan wiedergefunden hat und generell einen viel besseren Eindruck macht. (Noch 7 Tage!)